Hallo Georg,
Allgemein kann man sagen, dass folgende Maßnahmen zwischen PI und den Endröhren die Blocking Distortion entweder verhindern oder die Zeit verringern, bis sich der "Block" wieder verflüchtigt. Dazu gehören:
a) Verkleinerung der Koppelkondensatoren (coupling caps);
b) Verkleinerung der Widerstände gegen Masse (grid leaks/grid loads);
c) Erhöhung der Gittervorwiderstände (Gridstopper) vor den Endröhren.
Wie es sich dann bei einzelnen Modellen auswirkt, kann man aber so allgemein nicht sagen, da ist jedes Ampmodell verschieden. Viele Vintage-Amps (z.B. Fender, alte Vox) haben 0,1uf als Koppelkondensatoren nach dem PI. ABER: diese Amps wurden nicht für Overdrive entwickelt. Die Konstrukteure wollten einen möglichst lauten und cleanen Sound und haben nicht erwartet, dass wir Gitarristen die Dinger aufdrehen, nicht nur bis sondern damit es zerrt! Marshall hat zuerst daraus gelernt. Der JTM-45 - eine reine Kopie des 5F6-A Fender Bassman - hat dort noch 0,1uf - oha, matscht beim Aufdrehen, also runter damit - im 1987 sind es nur noch 0,022uf. Später haben sie in der Vorstufe die Bässe weiter reduziert und die Höhen angehoben - der typisch helle/grelle Marshall-Sound entwickelte sich so. Mit Amps, die beim Aufdrehen wesentlich weniger matschen, haben sie die Rockbühnen der Welt erobert. Andere Hersteller übernehmen einfach Schaltungen aus anderen Amps (z.T. auch aus den eigenen!), ohne sie auf den neuen Kontext anzupassen. Das scheint z.T. auch beim Nighttrain passiert zu sein. Ich würde jedenfalls in einem Amp, dessen Endstufe übersteuert werden soll, keine 0,1uf PI-Ausgangskoppelkondensatoren verwenden. Versuch mal, sie auf 0,047uf runterzusetzen; wenn es nicht reicht, dann auf 0,022uf.
Das mit den Koppelkondensatoren ist ebenso wie die Verkleinerung der Grid Leaks aber ein Kompromiss, denn geht man zu weit runter, klingt der Amp bei kleineren Lautstärken dünn. Hier ist dann halt Fingerspitzengefühl und ein gutes Gehör und viel Geduld gefragt, bis man das gewünschte Ergebnis hat.
Die Erhöhung der Gridstopper lässt die Bässe unberührt. Da die Endpentoden normalerweise eine geringere Millerkapazität als die 12AX7 aufweisen, kann man die auch erhöhen, ohne zuviel Höhenverlust befürchten zu müssen. Du hast geschrieben, sie sind jetzt 8,2k. Probier mal 22k. Aufpassen muss man nur in Verstärkern mit fester negativer Gittervorspannung (fixed bias), dass man die zulässige Grenze ("Total grid resistance") der Endröhren (steht im Datenblatt) nicht überschreitet. Bei Kathodenbias, wie es auch der Nighttrain hat, sind die Grenzen wesentlich höher und unproblematisch.
Es ist also alles eine Frage des Tweakens und Hinhörens. Was man an einer Stelle wegnimmt, um einen bestimmten Effekt zu erreichen, muss man vielleicht anderswo in der Schaltung ausgleichen. UND es ist immer davon abhängig, wie ich den Amp spiele (mit welcher Gitarre, Box/Lautsprecher und bei welcher Lautstärke).
Es gibt bei Pentode Press auch ein Kalkulationsprogramm, bei dem man das ausrechnen kann. Ich muss aber ehrlich sagen, dass ich die mathematischen Zusammenhänge in dem Programm nicht erfasse. Das ist für mich auch nicht so entscheidend, solange ich den gewünschten Sound bekomme und dem Amp nichts phsyikalisch Unmögliches abverlange.
Viele Grüße
Stephan