Hallo Kusi,
das ist keine so einfache Sache, denn das hängt sowohl mit den Arbeitspunkten der Röhren, mit den Spannungsteilern zwischen den Stufen, mit den Hochpässen zwischen den Stufen, mit der Art der Koppelkondensatoren etc. zusammen.
Grundsätzlich kann ich nur sagen, daß nach meiner Einschätzung zu viel an zu vielen Stellen an den Höhen herumgedämpft wird und zu wenig Wert auf die Abstimmung der verschiedenen Stufen zueinander Wert gelegt wird. Letztlich ist es aber das durch Overdrive stufenweise und "gain-weise" entstehende Oberwellenspektrum, das stimmen muß. Wenn das nicht stimmt, helfen nur Brutalmaßnahmen. Deshalb funktionieren vielen Amps auch nur bei einer oder wenigen Einstellungen wirklich gut. Deshalb funktioniert auch kaum ein hoch zerrender Amp im angecrunchten Bereich gut. Wenn man das Vol-Poti runterdreht wird es nur knarzig mittig.
Die Lösung ist kompliziert aber die Tendenz geht dahin, die richtigen Obertöne schrittweise entstehen zu lassen und die Höhen nur wenig zu dämpfen.
Wie kommt man da hin: Viel mit Arbeitspunkten und R-C-Gliedern herumprobieren, vorhandene Schaltungen im Zusammenhang mit dem resultierenden Sound analysieren, Feinabstimmung mit verschiedenen Kondensatortypen, Widerständen, Kabeln etc. trainieren.
Es gibt ja auch Amps, die richtig gut designed sind - ich habe gerade auf Youtube ein Video von einem original Trainwreck-Amp gesehen. Da ist mit einer Ampeinstellung von Clean mit Höhenglanz bis zu sattem Overdrive und Feedback alles drin - nur mit dem Vol-Regler der Gitarre geregelt und natürlich mit sensiblen Fingern gespielt.
Was Mesa-Rectifier und ähnliche Amps angeht, fehlt mir allerdings etwas das Verständnis. Ich komme noch aus einer Zeit, als man so etwas als kaputten "Transistorbrazz" bezeichnet hat. Das scheint aber ja heute ein starker Trend zu sein. Etwas was mir beim Recti etc. immer auffällt ist , das bei mindestens einer Stufe ein Arbeitspunkt mit extrem großen Kathodenwiderstand gewählt wird, was für mich immer zu (für meine Ohren) ätzende Sounds führt. Wenn das beabsichtigt ist - OK.
Ein weiterer Punkt ist, daß die Bässe an zu vielen Stellen beschnitten werden (hohe Grenzfrequenzen an Kathoden und zwischen den Stufen) - ich bevorzuge wenige Bassabsenkungen. Matschende Bässe kann man auch anders vermeiden (siehe Abstimmung der Arbeitspunkte und Stufen).
By the way: Transistor und Halbleiter muß gar nicht schlecht sein. Ich spiele z.Z. sogar überwiegend einen alten 150 Watt MusicMan Hybrid Amp, den ich stark modifiziert habe und den ich für satte Zerrung mit einem Overdrive-Pedal (eigenes Design) anblase. Meine bevorzugten Sounds gehen eher in Richtung Classic Rock - das funktioniert sehr gut und klingt kein bischen nach Halbleiter. High Gain ist auch möglich aber mehr in Richtung klassischer Mesa Boogie Sound oder Metallica. Der zweite Kanal des MM ist übrigens auf Bass getrimmt und macht einen Mörderbums. Dafür brauche ich dann auch die 150 Watt. Für Gitarre schalte ich den Amp auf halbe Leistung und lasse den Master im unteren Bereich.
Ich habe hier im Forum vor etwa einemm jahr mal ein paar Hinweise zum Tuning eines JCM 800 gegeben. Der Besitzer war damit absolut glücklich: Satte, singenden HighGain Sounds - regelbar mit dem Vol-Poti der Gitarre.
Allerdings fürchte ich, daß meine Soundvorstellungen nicht mit der Rectifier-Generation kompatibel sind. Ich hätte nie mit der Gitarre angefangen, wenn die Rectifier-Sounds das Einzige wären, was die E-Gitarre an Overdrive zu bieten hat.
Vielleicht kannst Du mit den Anmerkungen etwas anfangen. Wie gesagt - man muß sich schon eine Zeit sehr intensiv mit der Materie beschäftigen, bis man herausgefunden hat, wie man welchen Sound erreichen kann .
Gruß,
DocBlues