Hallo zusammen,
ich mache mir ja derzeit Gedanken über eine Gitarrenendstufe, die ich dann mal in 19" aufbauen will. Der Flexibilität wegen möchte ich dabei auch eine Gegenkopplung einbauen, und schiele dabei natürlich auf die Vorteile von Presence und Depth-Regelung. Dass das Thema äußerst komplex werden kann, zeigt allein die SuFu. Ich habe auch versucht, mich an anderen Stellen (Aiken, Valvewizard.co.uk und seinem
Designing Tube Preamps...-Buch, SLO-Clone-Forum...) diesbezüglich schlauer zu machen, tue mich aber nach wie vor in einigen Angelegenheiten etwas schwer. Zur Veranschaulichung hab ich einfach mal eine Skizze der SLO-Gegenkopplung nach Joachims Schematic (
http://www.tube-town.de/ttforum/index.php/topic,3292.msg26052.html#msg26052 ) angehängt; Vielleicht könnte mir ja jemand in folgenden Sachen auf die Sprünge helfen:
1) R1 und R2 fungieren als Spannungsteiler, um so den Dämpfungsfaktor der Gegenkopplung der Endstufe zu bestimmen; Kann man, in dieser speziellen Schaltung, R1 im Layout auch direkt an den Speakeranschluss des AÜ verschieben, um das Signal, das durch den Amp geschickt wird, etwas zu entschärfen? Sollte doch keinen Einfluss auf die Performance der übrigen Elemente des NFB-Loops haben, oder?
2) Die Grenzfrequenz des aufgedrehten Presence-Potis errechnet sich lt. dem Blencowe-Buch auf S. 193, solange das NFB mindestens 6dB beträgt, grob über f=1/(2*pi*C4*(R1|R2)). Das wären bei mir so um die 379Hz, also die Frequenzen oberhalb würden weniger gegengekoppelt, bzw. stärker geboostet. Warum das jetzt so ist, hab ich aber nicht mitbekommen, daher...
3) ...habe ich keine Ahnung, wie man etwa die -3dB-Frequenz des Depth-Reglers bestimmen könnte. Man liest hier im Forum oft davon, dass C1 mit Werten zwischen 2n2 und 6n8 betrieben wird, doch die genauen Auswirkungen verstehe ich so nicht. Das ganze ist doch ein Hochpass, der über das 1M-Poti graduell umgangen werden kann, ja? Wie kommt man da auf eine ungefähre Hausnummer?
4) Das 1M-Poti hat demnach eher einen Einfluss als Spannungsteiler auf die Dämpfung der tiefen Frequenzen, und nicht so sehr auf die geregelte Grenzfrequenz, so dass man hier auch geringere Werte ausprobieren könnte, soweit ich gelesen hab?
5) Ich hab immer im Kopf, dass sich bei Kondensatoren in Reihenschaltung die Kapazität nach umgekehrtem Verhältnis verringert. Hat so gesehen nicht das "Hinzufügen" von C2 zur Schaltung einen entsprechenden (dämpfenden!) Effekt auf die tiefen Gegenkoppel-Frequenzen, die über C3 an den nicht-invertierenden Eingang des LTP gehen? Demnach würde dieser doch letztendlich einen "Bass Boost" bewirken, im Gegensatz etwa zu einer simplen Drahtbrücke? Dafür würde sprechen, dass manche Leute mit einem 22uF-Elko an dieser Stelle anscheinend schon einen weit aufgeräumteren Bassbereich erzielt haben sollen... Sprich, die Bass
gegenkopplung steigt entsprechend von C2=100n... über 22uF... bis hin zur Drahtbrücke, nur dass wir mit letzterer auch DC auf den Speakeranschlüssen haben, ja? Dann frage ich mich, warum man im Hinblick auf den C3, in fast jedem gängigen LTP mit 100n dimensioniert, doch zu einem C2 mit nur 100n gegriffen hat? Pure taste?
6) Das ganze wird für mich umso wackeliger, wenn ich über die Phasenverschiebung durch einen Kondensator nachdenke, das hab ich auch noch nicht wirklich begriffen. Idealerweise soll das Gegenkopplungssignal ja genau dem normalen Eingangssignal entgegenwirken, d.h. um 180° phasenverschoben auf das Eingangssignal gegeben werden. (Im Falle des LTP mit seinen gegenphasig arbeitenden Eingängen soll das Gegenkopplungssignal für den zweiten Eingang gleichhasig sein)
Beträgt nun die Phasenverschiebung durch einen Kondensator für "alle Frequenzen" stets bis zu 45°, oder ist es viel mehr so, dass bei RC-Filtern die Phasen
unter (bei Hochpass) bzw.
über (bei Tiefpass) der jeweiligen Grenzfrequenz zunehmend gegen 45° verschoben sind? (Ich habe mich zu "Phasenverschiebung" und "Phasenverschiebungswinkel" im Buch "Grundlagen der Elektrotechnik" von Gert Hagmann umgesehen, doch die Erklärungen hier beziehen sich nicht wirklich auf "unser" Thema, und sind für mich daher nicht so verständlich übertragbar. )
Dafür spricht aber auf jeden Fall die "Feedback Theory" ab Seite 214 aus dem Buch meines Lieblingsmagiers. Blencowe stellt in seinem Buch auf S. 224 jedoch auch einen "speed up capacitor" im 220pF-Bereich vor, der parallel zu R1 geschaltet werden kann, damit hohe Frequenzen, die zunehmend unter Phasenverschiebung leiden und daher nicht mehr entsprechend "Angriffsfläche" auf das Eingangssignal haben, etwas "phase-lag"
aufholen können falls nötig. Das kapier ich überhaupt nicht, bremst man die nicht gerade durch einen Kondensator nur noch weiter aus? (Auch wenn sie dadurch im
Pegel etwas geboosted werden)
Vor dem Hintergrund wundert es mich immer, in den verbreiteten Schematics so viele Kondensatoren im NFB-Loop zu sehen. Der Theorie nach beträgt die Phasenverschiebung für die entsprechenden Frequenzen, die bereits um 180° Phasenverschoben sein sollen, weiterhin durch C1, C2 und C3 ja schon bis zu 180°+3*45°=315°, und wir sind schon fast bei einer üblen Mitkopplung angelangt. Aber das kann ja irgendwie nicht sein, oder?
So, ist mal wieder was länger geworden. Aber man will ja verstehen, nicht (nur) kopieren.
Danke für's Lesen!
Gruß,
Alex
p.s.: Blencowes Herangehensweise über das sichere NFB-Endstufendesign mit dominant poles und zeros hab ich soweit schon verstanden denke ich, allerdings gehen diese Beispiele lediglich von den Phasenverschiebungen in der Open-Loop-Gain-Abteilung aus, also PI, Endröhren, AÜ. Seine Gegenkopplung hat in den Beispielen hingegen nur Pegeldämpfende, nicht aber Phasenverändernde Bauteile mit inbegriffen, was das ganze wirklich tricky macht, soweit ich das sagen kann...
pp.s.: Falls direkt jemand antworten möchte und gleichzeitig Fußballfan ist, evtl. den Wecker stellen