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Verständnisfrage

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Offline mceldi

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Verständnisfrage
« am: 17.06.2011 10:00 »
Hallo!

Als alter Röhrenlegastheniker kapier ich mal wieder was nicht.

Ich hab ne Schaltung wie im Anhang. Woher kommt denn da die Gittervorspannung? Mag mich einer erhellen?

Ciao
 John

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Offline earnst

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Re:Verständnisfrage
« Antwort #1 am: 17.06.2011 10:35 »
Hallo,

von den aus der Kathode emittierten Elektronen landen auch einige auf dem Gitter, wodurch sich dieses negativ auflädt, d. h. das Gitter bekommt ein negatives Potential gegenüber der Kathode.
Das ist genau das, was man durch andere Methoden der Biaserzeugung auch erreichen will.
Der Gitterableitwiderstand muß dazu hohe Werte haben (MOhm-Bereich), damit die Ladung am Gitter nicht zu schnell abfließt und damit das Potential weniger negativ wird.

Der Strom Kathode - Gitter wird Anlaufstrom genannt.

mfg ernst

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Offline Bierschinken

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Re:Verständnisfrage
« Antwort #2 am: 17.06.2011 10:44 »
Hi,

lässt sich dieser Anlaufstrom bzw. die größe des Rg in irgendeiner Weise berechnen oder ist das ein "try & error" Prinzip?

Grüße,
Swen

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Offline mceldi

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Re:Verständnisfrage
« Antwort #3 am: 17.06.2011 10:47 »
Ich bin mir zwar noch nicht sicher, ob ich das kapiere, aber erstmal Danke!

Ich nehme mal an, die negative Spannung kann da nicht sehr hoch werden, sprich es funktioniert nur mit geringen Eingangsspannungen, oder liege ich da falsch?

Wo ist den da der Vor- bzw. Nachteil gegenüber den sonst üblichen Lösungen mit Kathodenwiderstand?

Gerade wollte ich noch fragen, wieso Rg so groß sein darf, denn laut Tabelle sind nur 2M erlaubt; in einer Fußnote steht dann aber, max. 22M, wenn Ug nur durch Rg erzeugt wird. Das passt dann auch zu Swens Frage.

Ciao
 John

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Offline earnst

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Re:Verständnisfrage
« Antwort #4 am: 17.06.2011 11:16 »
Hallo,

Zitat
lässt sich dieser Anlaufstrom bzw. die größe des Rg in irgendeiner Weise berechnen oder ist das ein "try & error" Prinzip?

da gibt's das Anlaufstromgesetz:

I = Io · e^(Ug/ET)

mit
Io = Strom bei Ug = 0
Ug = Gitterspannung (gegen Kathode)
ET = mittl. Voltgeschwindigkeit:

ET = 8,6 · 10^-5 · T

mit
T = Kathodentemperatur in K (typ 1000...1100 K für Oxidkathoden)

Man könnte jetzt den Gitterstrom Io bei Ug = 0 messen und mit geschätztem ET dann für Ug < 0 den Gitterstrom I berechnen und daraus Rg.

Und sich dann über die Abweichung in der Praxis wundern... ;D

mfg ernst

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Offline KippeKiller

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Re:Verständnisfrage
« Antwort #5 am: 17.06.2011 12:04 »
Hi,

also aus Erfahrungswerten mit der 6SL7 (gemessen) und der ECC83 (einfach gemacht und gespielt) kann ich sagen dass der mittlere Anlaufstrom am Rg einen Spannungsabfall von etwa -1,5 Volt erzeugt.
Dies hängt auch stark mit dem verwendeten Eingangskondensator Cin ab, je größer Cin umso größer der Spannungsabfall am Rg da der Kondensator zusätzlich Ladung speichert.

Je größer der Cin umso träger wird jedoch auch die Ansprache des Anlaufstroms, sprich es kommt zu einer Kompression da die Gittervorspannung dem Signal hinterherläuft.
Je kleiner Cin umso direkter die Ansprache, aber man hat auch eine geringere Gittervorspannung und dadurch einen kleineren Bereich in dem sich das Gitter "verzerrungsfrei" austeuern lässt.

Charakteristisch für diese Schaltung sind ab einem gewissen Bereich der Übersteuerung auch die sogenannten "Blocking Distortions" bei denen die Röhre bis in den Bereich ausgesteuert wird in dem Sie sperrt.

Ein Interessanter Effekt der Schaltung ist auch dass das Signal nicht nur wie sonst üblich an der negativen Amplitude zuerst gestaucht/verzerrt wird, da der negative Gitteranlaufstrom das Signal während der positiven Amplitude zusätzlich belastet, man hat keine leistungslose Ansteuerung mehr während der positiven Amplitude.

Soviel zum Einstieg das Thema gibt einen Haufen Denkstoff ab.

Gruß Mathias

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Offline SvR

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Re:Verständnisfrage
« Antwort #6 am: 18.06.2011 14:05 »
Salü,
lässt sich dieser Anlaufstrom bzw. die größe des Rg in irgendeiner Weise berechnen oder ist das ein "try & error" Prinzip?
Die Frage hat mich auch mal beschäftigt. Ich bin dann bei Herr Schintlmeister fündig geworden.
http://www.tube-town.de/ttforum/index.php/topic,10832.msg120408.html#msg120408
Weicht allerdings ein wenig von dem ab, was earnst geschrieben hat.
mfg sven

Edit. hab mir meinen alten Beitrag von damals nochmal durch gelesen: Mir ist irgendiwe nicht mehr klar wie postive Ionen einen negativen Strom erzeugen ???
« Letzte Änderung: 18.06.2011 14:09 von SvR »
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Offline earnst

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Re:Verständnisfrage
« Antwort #7 am: 18.06.2011 14:25 »
Hallo,

abgesehen davon, dass positiven Ionen halt (mindestens) ein Elektron fehlt - wo fliegt das denn hin? - ist ein Ionenstrom, so ziemlich das letzte, was man im normalen Betrieb einer Röhre möchte.
Dieser Teilchenstrom (Ionen) schlägt in die Kathode ein und "vergiftet" diese.

Ich vermute, dass der Herr Schintlmeyer da mehr über Messverfahren bei der Röhrenproduktion/Qualitätskontrolle schreibt (Vakuum, Restgas ...).

mfg ernst

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Offline SvR

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Re:Verständnisfrage
« Antwort #8 am: 18.06.2011 14:29 »
Salü,
Hab das Buch gerade nicht hier, aber morgen Abend kann ich die Stelle nochmal nachschlagen.
mfg sven
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Offline SvR

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Re:Verständnisfrage
« Antwort #9 am: 19.06.2011 18:19 »
Salü,
Unten mal die betreffende Stelle als Zitat
Zitat von: Dr Josef Schintlmeister: "Die Elektronenröhre als physikalisches Meßgerät", 4. Auflage 1945, Seite 20 bis 21
Der negative Gitterstrom setzt sich aus mehreren Teilen zusammen. Am bedeutendsten ist meist der Strom der positiven Ionen. Auch bei bestem Vakuum enthält die Röhre doch noch eine sehr große Zahl von Gasmolekeln. Bei Druck von nur 10-6Torr und bei 20°C sind es immer noch 33 Milliarden im Kubikzentimeter. Die Elektronen erlangen nun im elektrischen Feld zwischen Kathode und Anode eine solche kinetische Energie, daß sie Gasmolekeln bei einem Stoß ionisieren können. Die positiven Ionen wandern zur negativsten Elektrode im Entladungsraum, d. i. das negative Steuergitter. Ist die Anodenspannung so hoch, daß jedes Elektron bei einem Zusammenstoß mit einem Gasmolekel auch ionisiert, so hängt die Zahl der gebildeten positiven Ionen und demnach die Größe des negativen Ionengitterstromes offenbar nur davon ab, wieviel Elektronen in der Sekunde übergehen, d.h. also von der Größe des Anodenstromes, weiters, wie lang der Weg zwischen Kathode und Anode ist, und drittens vom Gasdruck. Trifft im Mittel beispielsweise jedes tausendste zur Anode fliegende Elektron ein Gasmolekel, so ist die mittlere freie Weglänge in dem Gas tausendmal so groß wie die wirklich durchlaufene Strecke. Bei einer Röhre mit einem Abstand von 1/2cm zwischen Kathode und Anode wäre sie also 500cm. Die mittlere freie Weglänge ist nun umgekehrt proportional dem Gasdruck. Sie beträgt bei 760 Torr rund 10-5cm. Mißt sie 500cm, so herrscht ein Druck von 760/(500*105)=1,5*10-5Torr. Trifft, wie angenommen, jedes tausendste Elektron ein Gasmolekel und ionisiert es, so ist das Verhältnis zwischen dem negativen Ionengitterstrom und dem Anodenstrom ebenfalls 1/1000. Dieses Verhältnis gibt demanch bei einer bestimmten Röhrentype die Güte des Vakuums an und heißt
Vakuumfaktor=V=-Ig-/Ia.
mfg sven
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Offline SvR

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Re:Verständnisfrage
« Antwort #10 am: 19.06.2011 21:16 »
Salü,
Ich schieb gleich noch ein zweites Zitat hinter her, mit einer verständlicheren Erklärung.
Zitat von: J. Kammerloher:"Hochfrequenztechnik II", 7. Auflage 1958, Seite 62
Legt man in der in Abb. 77 gezeigten Weise an die Anode der zu prüfenden Röhre eine positive Spannung Ua und an das Gitter eine negative Spannung Ug, deren Betrag größer als 2 Volt ist, so darf kein Gitterstrom fließen, wenn ein absolutes Vakuum herrschen würde, da die zur Anode fliegenden Elektronen vom negativen Gitter abgestoßen werden. Ist nun aber das Vakuum unvollkommen, d.h. sind noch Gasmoleküle in größerer Zahl vorhanden, so wird ein Teil dieser Moleküle von Elektronen getroffen und in positive Ionen und negative Elektronen aufgespalten, d.h. ionisiert. Die hierdurch entstandenen Elektronen fliegen , wie dir übrigen, zur Anode und die positiven Ionen dagegen zum negativen Gitter. Über dieses fließt daher ein Strom, der proportional den von dem Gitter aufgenommenen Ionen ist. Da nun aber die Anzahl der im Entladungsraum erzeugten Ionen proportional der Zahl der Gasmoleküle, d.h. auch proportional dem Gasdruck p und außerdem proportional der zur Anode fliegenden Elektronenzahl, also proportional dem Anodenstrom Ia ist, ergibt sich der über das Gitter fließende Ionenstrom zu:
Ig=K*p*Ia (78)
Hierbei ist K eine Konstante, die von der Elektronenanordnung und der Anodenspannung Ua abhängt. Faßt man K*p zu k, dem Vakuumfaktor, zusammen, so ist damit nach (78) das Vakuum gekennzeichnet durch k=Ig/Ia, also durch das Verhältnis des Gitter- und Anodenstromes. Der Vakuumfaktor ist, infolge der nicht allgemein definierten Konstanten K, die in ihm enthalten ist, nur ein Vergleichsmaß für Röhren gleicher Type bei gleichen Gitter- und Anodenspannungen.
mfg sven
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Offline mceldi

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Re:Verständnisfrage
« Antwort #11 am: 19.06.2011 21:48 »
... was hab ich da nur losgetreten!

Vielen Dank für die informativen Antworten. Bei eigenen Projekten bleibe ich wohl lieber bei Kathodenwiderständen  ;)

Ciao
 John

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Offline SvR

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Re:Verständnisfrage
« Antwort #12 am: 19.06.2011 22:00 »
Salü,
... was hab ich da nur losgetreten!
...eine interessante Diskussion evtl. ;)
Edit. hab mir meinen alten Beitrag von damals nochmal durch gelesen: Mir ist irgendiwe nicht mehr klar wie postive Ionen einen negativen Strom erzeugen ???
Ich glaube, mir ist auch mein Denkfehler aufgefallen.
Man muss dran denken, dass man es mit der physikalischen Stromrichtung zu tun hat.
Die negativen Elektronen fliegen von der Kathode in richtung der positiven Anode, also von Masse nach Plus -> positive Spannung von Ub nach Masse
Die positiven Ionen werden vom negativen Gitter angezogen, fließen also vom Gitter über Rg nach Masse -> negative Spannung von g1 nach Masse
Das die Elektronen negativ und die Ionen positiv sind, spielt für die Polarität der Spannung nicht direkt eine Rolle. Durch die Ladung der Teilchen entscheidet sich nur an welcher Elektrode sie am Ende landen.
Findet da noch jemand einen Denkfehler bei mir :)
mfg sven

Edit: Ich hab vergessen zu erwähnen in welchen Zusammenhängen die beiden Zitate in den Büchern gemacht wurden.
Das Zitat von Kammerloher steht im Kapitel über "Vakuummessung", das Zitat von Schintlmeier findet sich im Kapitel "Die Elektronenröhre und ihre Schaltungen" im Absatz "Der Gitterstrom".
Hat jemand für die andere (meist genannte) Erklärung mit den zum Gitter verirrten Elektronen eine Fachliteratur-Quelle?
« Letzte Änderung: 20.06.2011 15:52 von SvR »
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Offline SvR

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Re:Verständnisfrage
« Antwort #13 am: 24.06.2011 14:50 »
Salü,
Richtigstellung
Also ich hab oben Murks verzapft und zwar gewaltig ;D
Erleuchtet hat mich Schröders Elektrische Nachrichtentechnik II
Ernst hatte recht mit dem Anlaufstromgesetz. Die von mir genannte Sache mit dem Ionenstrom findet zwar auch statt, wirkt aber dem Gitteranlaufstrom entgegen. Dürfte wahrscheinlich auch der Grund sein, warum der berechnetet Gitteranlaufstrom von der Realität abweicht. Im Schröder findet sich ein anschauliches Bild, wie sich der resultierende Gitterstrom aus dem Ionengitterstrom und dem Elektronengitterstrom zusammen setzt. Allerdings ist im Schröder nur noch bei schlechtem Vakuum die Rede von Ionenstrom, während in den anderen zwei Büchern keine Wertung des Vakuums enthalten war. Warum?
mfg sven
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Offline Robinrockt

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Re:Verständnisfrage
« Antwort #14 am: 24.06.2011 15:55 »
Hallo sven,

offensichtlich weil der Ionenstrom entsprechend stark steigt, bei schlechtem Vakuum.

Grüße,
Robin
Gefangen vom Ton