Hallo zusammen,
wenn man heutzutage ein geeignetes Netzteil für seine Effekte sucht, gibt es eine recht grosse Auswahl. Man findet Pedalboards mit eingebauter Stromversorgung sowie spezielle Stromversorgungen in mehr oder weniger grossen Gehäusen. Die Unterbringung - hat man sich erstmal für das Netzteil seiner Wahl entschlossen - auf dem Pedalboard stellt die nächste Herausforderung dar. Meist passt es doch nicht so, wie man wollte. Möglichst flexibel und hohe Ströme bedingen fast immer eine grössere Bauweise. Daher ist es sinnvoll, sich genauestens darüber im klaren zu sein, was man wirklich braucht.
- welche Spannungen ?
- wieviel Strombedarf ?
- galvanische Trennung erforderlich ?
Netzteile lassen sich in 3 Kategorien einteilen (lassen wir AC mal aussen vor)
I) Daisy Chain Methode
Eine Sekundärwicklung, eine Gleichrichtung, 1-n Ausgänge parallel geschaltet
Vorteile:
einfacher Aufbau, wenige Bauteile
Nachteile:
Störanfällig, keine Spannungsverdopplung durch Y-Kabel möglich
II) Netzteil mit mehreren Gleichspannungspfaden (Pseudo-Trennung)
mehrere Gleichrichter an einer Sekundärwicklung, jeder Ausgang hat eigenen Spannungsregler
Vorteile:
weit weniger störanfällig, da jeder Ausgang ein eigenes Minus durch den Gleichrichter hat
Nachteile:
keine echte galvanische Trennung, keine Spannungsverdopplung durch Y-Kabel möglich, Strom pro Ausgang durch Spannungsregler begrenzt - hier kann ein Y-Kabel zur Stromverdopplung sinnvoll eingesetzt werden
III) Netzteil mit galvanischer Trennung
mehrere Sekundärwicklungen, jeder Ausgangsblock hat eigene Sekundärwicklung, eigenen Gleichrichter, eigenen Spannungsregler
Vorteile:
keine Störungen, Spannungs- sowie Stromverdopplung durch Y-Kabel uneingeschränkt nutzbar
Nachteile: meist nur sehr kleiner Strom pro Ausgang, relativ teuer
IV) keine echte Kategorie, aber der Hersteller hat total gepennt, wenn er den Schutzleiter des Stromkabels ausser mit dem MetallChassis in irgendeiner Weise an einen oder mehrere der Ausgänge bringt. Vorprogrammierte, garantierte Brummschleife!
Diese Kategorien findet man auch gemischt!
Im allgemeinen ist es leicht, wenn man nur einige Treter hat, die mit 9 Volt laufen ein paar Milliampere ziehen und alle den +Pol aussen haben, wie es bei ganz vielen kleinen moderneren Geräten der Fall ist. Dann reicht fast jedes billige Netzteil aus und auch galvanische Trennung ist meist kein Thema, da diese Geräte oft mit OPs arbeiten und eine sogenannte virtuelle Masse implementiert haben, die es erlaubt, die innere Stromversorgung vom Masseanschluss des Klinkenkabels abzutrennen. Im einfachsten Fall holt man sich ein Netzteil für 10 Euro mit 500mA + ein Daisy Chain und gut ist. Aber das ist eher nicht die Praxis.
Ich will an dieser Stelle nicht die Hersteller abgrasen, sondern nur exemplarisch ein paar Fälle herausgreifen.
Von aussen sieht man den Netzteilen meist nicht an, wie sie gebaut wurden. Ich habe beim Auseinandernehmen von einigen Typen einige herbe ueberraschungen erlebt. diese erklären aber auch oft, warum diese geräte so unberechenbar sind und von den kunden unterschiedlich erlebt werden.
Fall I
Harley Benton Powerplant
Dies Gerät sieht ganz nett aus und ist preiswert. Es hat 8 * 9V Ausgänge mit gesamt 500mA sowie je einen 12V DC Ausgang mit 250mA und einen Ausgang mit 12V AC 250mA laut Aufschrift.
Bereits vor dem öffnen ist mit dem Multimeter festzustellen, dass die Minus Pole sämtlicher DC Ausgänge untereinander sowie mit dem Gehäuse verbunden sind.
Also nix mit galvanischer Trennung. Nach dem öffnen des Gerätes wird es schnell klar, dass die Schaltung nur halbdurchdacht ist. Sicher ist es immer gut und richtig, das Chassis mit dem Schutzleiter zu verbinden, aber die Minuspole gehören nicht dahin, wenn man sich keine Brummschleifen einfangen will. Schaut man sich den Trafo an sieht der im ersten Moment eigentlich gut aus. 4 Sekundärwicklungen - davon 2 mal 10V, je 250mA; die anderen 13V, je 500mA. Guckt man sich die Verschaltung an, liegen die beiden 10V Ausgänge parallel und versorgen die 8 * 9V DC Ausgänge. Die anderen beiden Wicklungen versorgen je den 12V DC Ausgang sowie den 12V AC Ausgang.
Leider völlig hirnlose Masseschaltung.
Was haben wir ?
8 Ausgänge mit 9V DC, zusammen 500mA
1 Ausgang mit 12V DC, 500mA (steht jedenfalls auf dem Trafo), besser als die 250mA die aussen draufstehen
1 Ausgang mit 13V AC, 500mA - wie beim 12V DC Ausgang mehr als aussen draufsteht, leider auch bezüglich der Voltzahl. Mag nicht so schlimm sein, aber mich stört sowas.
Misst man die Spannungen, sind diese um etwa 0,7V zu klein - grrr
Schaut man auf die Platine, sieht man 2 Dioden in den Strompfaden von den beiden Spannungsreglern - alles klar.
Was geht also nicht ?
Ja kein Y-Kabel zur Spannungsverdopplung versuchen! Y-Kabel sind nur bei galvanisch getrennten Spannungsquellen möglich. Y-Kabel zur Stromverdopplung nutzen hier nichts, weil die 8 Ausgänge wie ein Daisy Chain geschaltet sind.
Möglichkeiten:
a) fast ein Muss: die Erdleitung nur mit dem Chassis verbinden! Dazu muss die Platine gegen das Chassis durch geeignete Massnahmen isoliert werden. In der Folge vermeidet man so wenigstens die eingebaute Brummschleife.
b) Will man die richtigen Spannungen, die beiden Dioden durch Brücken ersetzen. Die Dioden lassen sich prima als Freilaufdioden recyclen, indem man die Anode mit dem Out und die Kathode mit dem In der Spannungsreglerverbindet.
c) die Masseführung der 12V DC Leitung von den 9V Anschlüssen trennen. Dann ist wenigstens der 12V DC Ausgang galvanisch getrennt von den 9V DC. Ist aber etwas tricky, Platine ist zweiseitig und die Bauteilgruppen eher ungünstig.
d) man kann auch die beiden 10V Wicklungen des Trafos getrennt verarbeiten und beispielsweise 2x4 Ausgänge mit 250mA pro viererkette basteln. dann braucht es aber noch ein paar bauteile (Spannungsregler). Dann könnte man auch ein Y-Kabel zur Gewinnung von 18V DC einsetzen.
e) theoretisch könnte man die beiden 13V Ausgänge parallel schalten. Dann hätte man gesamt 1A zur Verfügung, das sich auf die 12V AC/DC Ausgänge je nach Bedarf verteilt. Ich habe kein Problem darin gefunden, den evtl Schmutzstreuungen die zurückkommen, werden durch die Siebung am 12V DC Pfad wieder herausgenommen. Entnimmt man dann mehr als 500mA als Gleichstrom, sollte man einen Kühlkörper für den Spannungsregler verwenden. Ich sehe bisher absolut kein Problem darin, wenn sich ein AC/DC Pfad eine Trafowicklung teilen.
Resume:
Vorteile: sehr billig, leicht zu modifizieren, flexibel, ordentlicher Ausgangsstrom (gesamt 1500mA)
Nachteile: ohne Mods Glücksache (Kategorie IV), die trafowechselspannungen sind zu hoch.
ps: im borneo wurde das teil getestet, der tester brachte den big muff nicht zum laufen und meinte ein kabel sei kaputt. falsch! das klinkenkabel braucht eins von den polwenderkabeln, dann klappts auch mit dem big muff (habe ich ausprobiert)
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Fall II
Fame Chrome Tank CT-10
Dieses Netzteil vom grossen M lockt mit grossen Stromversprechungen. Es hat 9 Ausgänge. Die Werbung verspricht folgendes:
Anschlüsse:
2 x 9V mit je 1000mA regulated PSA (1+2)
3 x 9V mit je 100 mA regulated PSA (3-5)
2 x 9V mit je 1000 mA unregulated ACA (z.B. für ältere Bosspedale vor 1997) (6-7)
2 x 6V mit festen 1000 mA unregulated (z.B. für Tube Overdrive oder äquivalente Geräte) (8-9)
Es gibt keinen Hinweis, dass die Ausgänge nicht gleichzeitig genutzt werden dürfen.
Rechnet man das durch, ergibt sich theoretisch folgendes:
9V*2A+9V*0.3A+9V*2A+6V*2A=18VA+2,7VA+18VA+12VA=50,7VA
Zur Trennung der Ausgänge gibt es keine Aussagen.
Test mit dem Multimeter ergibt hier, dass alle Minus-Pole der Gleichspannungsausgänge untereinander verbunden sind. Und auch hier ist der Minuspol wieder mit dem Schutzleiter am Gehäuse verbunden. (Kat IV)
Bei den Pluspolen sieht es anders aus. Hier sind nur die Pluspole der ungeregelten Gleichspannungsausgänge (6+7) untereinander verbunden. Die 6V AC Ausgänge (8+9) sind parallel geschaltet, teilen sich also eine Trafowicklung. Also keine Chance, daraus mit einem Y-Kabel 12V zu gewinnen. Der Versuch allein (Kurzschluss!) würde bestenfalls das Herausfliegen der Sicherung bewirken. Hat man also kein 6V AC Gerät, bleiben die Ausgänge ungenutzt. Es bleibt also ein reines 9V DC Netzteil mit relativ grossem Strom übrig. Es ist an der Zeit, in das Gerät hineinzuschauen.
Im Inneren findet sich eine recht kleine Platine, auf der 2 mit grossen Kühlkörpern versehene Spannungsregler des Typs LM7809 (je 1A) befinden, sowie 3 SMD Spannungsregler des gleichen Typs (je 0,1A). Der Trafo ist ein Ringkerntrafo mit 2 Sekundärwicklungen, 1* 11V sowie 1* 6V. Auf der Beschriftung ist die Leistung mit 30VA angegeben. Geht man davon aus, dass jede Sekundärwicklung etwa die Hälfte der Trafoleistung bereitstellt, ergibt sich für den 11V-Zweig ein Strom von etwa 1,4A und für den 6V-Zweig ein Strom von 2,5A. Die Kategorie ist also die II, da zwar jeder DC Ausgang eine eigene Gleichspannungserzeugung bereitstellt, diese sich jedoch eine einzige Sekundärwicklung teilen müssen, was die Messergebnisse bestätigen. Richtig weh tut, dass in den meisten Fällen also die Hälfte der Trafoleistung verlorengeht, denn - wie schon erwähnt - wann braucht man 6V ? Auch die Angaben sind offenbar falsch, denn die DC Ausgänge lassen sich keinesfalls mit den beworbenen Stomangaben nutzen. Gesamt stehen 1,4A für 1-7 zur Verfügung. Das Gerät ist für die meisten also eindeutig eine Gurke. Bedenkt man, dass das Teil obendrein zur Kategorie IV gehört, relativiert sich der Nutzen sehr. Wegen der 11V lässt sich auch nicht viel mit 12V machen.... mmmm
Nichtsdestotrotz - mit einigen kleineren Massnahmen lässt auch dieses Gerät sich verbessern:
1) Der Schutzleiter lässt sich recht einfach von der Masseführung der Platine entfernen, die 2 Befestigungsschrauben müssen nur isoliert werden. Das dürfte die meisten Brummprobleme entschärfen. Leider gibt es nur einen grossen Gleichrichter, das Gerät gehört also nicht einmal korrekt zur Kategorie II, denn so steht - trotz getrennter Spannungsregler - nur ein gemeinsamer Minuspol am Gleichrichter zur Verfügung. Das liesse sich nur durch Verwendung zusätzlicher Gleichrichter ändern.
2) Der Trafo hat einen Durchmesser von knapp 8cm bei einer Bauhöhe von 3,5cm. Stöbert man ein wenig, findet man Typen der gleichen Grösse, die 50VA bei 2*12V liefern. Ich habe einen für etwa 16,- bekommen. Dann sieht die Sachlage schon ganz anders aus:
-Ausgang 8+9 können 12V AC bei gesamt 2,08A liefern
-Ausgang 1-7 können gemeinsam 2,08A liefern, wobei
* Ausgang 1-5 9V geregelte und Ausgang 6-7 12V ungeregelte Spannung liefern
Weitere Möglichkeiten unter leichter Modifikation der Platine:
- Einen Spannungsregler mit einem 12V Typ ersetzen
- die Sekundärwicklungen parallel schalten, dann hat man bis max. 4A zur Verfügung, ODER
- die beiden AC Ausgänge elektrisch voneinander abkoppeln und jeweils eine Sekundärwicklung zu einem AC-Ausgang führen. Dann kann man sogar 24V AC herausholen. Auf den DC-Zweigen geht das nicht -> nur ein Gleichrichter
Wenn man die Platine entfernt und durch Lochraster ersetzt, wird es richtig lustig:
- Je Sekundärwicklung ein eigener Gleichrichter
- Spannungsregelung entweder 9V oder 12V beliebig, man kann 2 getrennte galvanische Zweige realisieren, daher mit Y-Kabel 18V und 24V DC realisierbar (bei je einem 12V+9V Spannungsregler pro Zweig. Zweigt man dann die AC getrennt parallel ab, kann man auch die AC ausgänge auf 24V bringen (entspricht dann einem Trafo mit Mittelanzapfung, dabei verliert man jedoch die galvanische Trennung der beiden DC-Zweige). In diesem Fall geht immer noch ein Y-Kabel zwischen den beiden DC-Zweigen, da der gesamte Potentialunterschied gross genug ist (immer noch schaltungstechnisch ein Trafo mit Mittelanzapfung der 24V liefert, symmetrische Spannungsgewinnung). Wer noch mehr basteln will, kann auch 9V Spannungsregler nehmen und eine 3V Z-Diode die per Schalter überbrückbar ist zwischen Masseleitung des Stromzweigs und Minuspol des Spannungsreglers verwenden, dann hat man einen umschaltbaren 9V/12V Ausgang. Aber das sind alles Umbauten, die mit der eingebauten Platine nicht realisierbar sind.
Resume:
+ relativ grosser Strom
+ mit 2 Mods deutliche Aufwertung (Masseentkopplung vom Chassis, Austausch des Trafo gegen 2*12V Typ)
- nutzlose 6V Ausgänge
- unflexibler Trafo, da nur 11V und 6V
- Kat IV mit eingebauter Brummschleife
- nur die Hälfte der Leistung nutzbar, wenn man die 6V nicht braucht
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bis dahin erstmal....
Gruss