Der WGS ET65 wird gerne als Clone des 80er-Jahre Rola Celestion G12-65 eingestuft und in der Tat, ein direkter Vergleich zeigt eine extrem grosse Übereinstimmung, aber nur bei den G12-65, welche mit der 444er Membran ausgestattet sind. Die G12-65 mit 1777 Membran - darunter fällt auch der G12-65 Reissue - zeigen ein deutlich anderes Verhalten, insbesondere mit Tief-Mitten Bereich und das obwohl der ET-65 angeblich auch mit einer 1777er Membran ausgestattet ist.
Der Autor hat zwar so seine Zweifel daran, dass der ET-65 wirklich mit einer 1777er Membran ausgestattet ist, denn er kling wirklich wie der alte Rola Celestion G12-65 mit 444er Membran und man würde bei einem Blindtest die beiden Lautsprecher nur sehr schwer auseinander halten können, aber auf der anderen Seite sind noch viele anderen Parameter für den finalen Klang zuständig und eine Membran alleine macht noch keinen Lautsprecher. An dieser Stelle sei noch der Hinweis erlaubt, dass die (heutigen) Vintage 30 ebenfalls mit der 444 Membran ausgestattet sind.
Membran hin oder her, beim Clean-Test konnte sowohl der ET-65 als auch der G12-65 nicht wirklich richtig überzeugen. Insbesondere Single-Coils in Brückenposition klingt recht dünn, flach und auch lustlos. Bei Humbackern wird es zwar etwas besser, da der Klang naturgemäss etwas fülliger wird, aber so richtige Spielfreude stellt sich nicht ein. Da ist der Celestion G12-65 Reissue deutlich angenehmer, da der Tief-Mitten Bereich stärker betont wird, was den Gesamtklang deutlich fülliger macht.
Wer hin und wieder mal etwas Clean benötigt, sonst aber deutlich Overdrive fährt, für den ist der ET-65 und der G12-65 absolut ausreichend, dann die Stärken dieser Lautsprecher fangen erst mit zunehmender Übersteuerung an zu wirken.
Wie schon erwähnt neigt der Celestion G12-65 Reissue zu einer Überbetonung der Tief-Mitten Bereich. Das macht den Sound im Allgemeinen sehr füllig, mit einer recht warmen Färbung. Dieser Bereich reagiert auch sehr stark auf den Mittenregler beim Verstärker sodass auch richtig dicke Lead-Sounds möglich sind.
Der WGS ET-65 hingegen wirken im direkten Vergleich weit aus linearer und ohne den G12-65-typischen Mittenbauch. Der Bass ist dezent und aufgeräumt was ein sehr grosser Vorteil ist. Insbesondere bei richtigem Schwermetall gibt es keine Überschläge im Bass, alle Noten werden sauber getrennt übertragen und die Ansprache ist sehr direkt. Die Höhen sind präsent, aber nicht aufdringlichen, und verleiten dem ET-65 eine etwas aggressivere Note, ohne dabei aber zu nerven. An Durchsetzungskraft fehlt es dem ET-65 auf alle Fälle nicht und auch der etwas ausgeprägtere Bereich um die gefühlte 2 kHz sind kein Schaden. Besonders wenn der Lautsprecher hinter einer dicken Frontbespannung betrieben wird, die viel Höhen schluckt ist man froh, wenn noch ausreichend Reserven vorhanden sind.
Der G12-65 Reissue erlebte seine Wiedergeburt nachdem bekannt wurde, dass Robben Ford diesen Lautsprecher einsetzen würde und genau für diese Art von Musik und Sound ist der Celestion G12-65 Reissue sehr gut geeignet. Klassische Trio-Besetzung, wo ein füllender Gitarrensound mit moderatem Overdrive und dicken Mitten gewünscht ist. Das stellt die ideale Umgebung für diesen Lautsprecher da.
Der ET-65 hingegen ist linearer und im Vergleich zum G12-65 im Mittenbereich deutlich schlanker. Sein empfohlenes Einsatzgebiet reicht von moderatem Overdrive bis hin zu richtig schweren Nu-Metal Sounds, bei klassischen Rock-Besetzungen mit zwei Gitarren, Bass und Drums. Der Hersteller empfiehlt den ET-65 zwar auch für Blues, aber hier hat sicherlich der G12-65 Reissue die besseren Argumente.
Als Zuhause bietet sich für den Celestion G12-65 Reissue eine grossvolumige oder offene Box an, die ein freies Arbeiten der Membran ermöglicht und den Lautsprecher in seinen Stärken nicht sonderlich stark bevormundet. Leider werden zum Celestion G12-65 keine Thiele&Small Parameter veröffentlicht weshalb keine weiteren Simulationen und Berechnungen möglich sind, aber eine 212 im Dumble-Stil mit offener Rückwand hat sich in der Praxis als sehr passend erwiesen.
Auch beim ET-65 ist eine Box mit grösserem Volumen von Vorteil. Wenn dieser mit modernen Overdive-Sounds betrieben wird dann darf die Box gerne auch geschlossen sein um die Membran-Bewegungen noch ein wenig besser kontrollieren zu können. Eine Berechnung auf Basis der Thiele&Small Parameter des ET-65 führt bei linearer Abstimmung zu einem Boxen-Volumen von rund 80 Liter pro Lautsprecher. Das ist recht gross und würde in der Praxis zu doch sehr unhandlichen Boxen führen. 60 - 65 Liter sind in der Regel aber voll und ganz ausreichend. Bei Bedarf kann mit etwas Füllmaterial nachgeholfen werden, das schadet hier nicht. Natürlich nur bei geschlossenen Boxen.
Abschließend sei noch erwähnt, dass keiner der hier getesteten Lautsprecher ein Leisetreter ist. Bei allen Kandidaten muss man eine deutliche Anzahl von Elektronen durch die Schwingspule schicken damit sich der gewünschte Sound einstellt. Wer einen Lautsprecher für Bedroom-Levels oder wohnzimmerfreundliche Lautstärken sucht und womöglich noch in einem Mietshaus wohnt, der wird mit diesen hier vorgestellten 12er höchstwahrscheinlich keine Freude haben.