Moinmoin zusammen,
zu Jürgens Anregungen, Fragen, ... will ich gerne was schreiben, ist eh eins meiner Lieblingsthemen
Wenn ich zu viel schreibe: Einfach ignorieren
Viele Vorstufenröhren sind tatsächlich komplette Nachbauten amerikanischer Röhren. So ist die heute wohl gebräuchlichste Kleinsignal-Audioröhre ECC83 ein Nachbau der 12AX7, die wiederum eine Novalsockel-Adaption einer RCA Vorkriegsröhre ist. Die 7025 ist soweit ich weiß eine Fender Labelung der 12AX7. Wer weiß, wie Leo Fender baute, wird wissen, dass sie keine "besser selektierete", sondern eine "gelabelte" Röhre ist/war.
Diese Röhren sind tatsächlich absolut gleich, selbiges gilt für 12AU7 = ECC81 und 12AT7 = ECC82. Es gibt weitere Beispiele.
Wer übrigens E83CC statt ECC83 kauft, bekommt die
selbe Röhre, nur mit engeren Toleranzen. Sie ist allso icht besser, sondern nur überspezifiziert: Die engeren Toleranzen wurden in Analogrechnern der 60er benötigt, in Audio-Schaltungen sind sie ebenso unnötig wie nutzlos. Bei Spanngitterröhren ist das nicht ganz so einfach: Auch hier werden die engeren Toleranzen zwar verschenkt, sie sind aber prinzipiell weniger mikrophonieempfindlich, was schon sinnvoll sein kann.
Die EL34 ist jedoch sicher
kein Nachbau einer amerikanischen Röhre, sondern eine Entwicklung von Philips, die von der 443 über die EL60 dann zur EL34 führte, es gibt kein amerikanischens Pendant. Dass die 5881 und die EL34 immer wieder als "ähnlich" gesehen werden, hängt vielmehr damit zusammen, dass sie:
- ähnliche Leistungsdaten (Versorgung, max. Anodenverlustleistung)
- ähnliche "innere Werte" (Stelheit, Widerstände, vorsicht: ähnlich, nicht gleich)
- das selbe Sockelbild haben und vor allem
- von einigen Firmen (Marshall, Fender) entsprechend der Verfügbarkeit eingesetzt wurden: USA-Markt mit den dort einfacher erhältlichen 5881, Europäischer Markt mit den hier einfacher erhältichen EL34.
Die 5881 ist meines Wissens als Militärversion der 6L6 entwickelt worden, die ebenfalls nicht Vorbild oder Nachbau der EL34 ist.
Auch 6550 (Beam) und KT88 (Pentode) sind keineswegs gleich oder gegenseitige Nachbauten.
Die einzige mir bekannte europäische Beam Power Tetrode ist die EL503 (die auch mit einem "L" markiert ist, obwohl sie eben keine Pentode ist. Die EL503 hatte Valvo übrigens als Nachfolger der EL34 designt...)
Jürgen fragte außerdem nach näheren Angaben zur Unmöglichkeit, eine 6550 Endstufe mit einer ECC83 (und Äquivalent, siehe oben) zu treiben:
- Laut Datenblatt der 6550 darf deren Gitterableitwiderstand maximal 250k betragen, dies aber nur bei automatischer Vorspannungerzeugung, die nur in Klasse A-Endstufen möglich ist. Für die in AB- und B-Endstufen (alle Gegentakt-Endstufen für Instrumentalverstärker, zum Vox AC30 siehe unten) notwendige feste Vorspannungserzeugung sind nur Werte von maximal 50k erlaubt. Das ist die minimale Last, die von der Treiberröhre gesteuert werden muss!
- Die ECC83 ist mit dieser Last schlichtweg überfordert, sie will größere Widerstände sehen und kann den notwendigen Strom an 50k nicht liefern. Gedacht als Treiber für die 6550 ist eigentlich die ECC82, wer von den (theoretisch) besseren Werte der ECC81 bzüglich Verzerrungen und Klirr beeindruckt ist, kann auch die nehmen.
Wenn man in die Schaltpläne von Endstufen mit EL34 guckt, wird man immer Gitterableitwiderstände der Endröhren finden, die größer als 50k sind, was für diesen Röhrentypen auch OK ist. Genau das ist der Grund, warum man EL34 eben nicht durch 6550 ersetzen sollte, die zusätzliche Leistungsreserve nutzt einem gar nichts. Natürlich ist was beliebt auch erlaubt und kaputt geht so schnell bei Röhren ohnehin Nichts. Aber das immer wieder gelesene "cleaner, weil größere Leistungsreserve" ist absolut unmöglicher Quatsch.
Zu großer Gitterableitwiderstand ist übrigens aus dem Grund zu vermeiden, dass das Gitter (hier: Steuergitter) ansonsten die gegen es anlaufenden Elektronen nicht mehr loswerden kann und sich dadurch zunehmend negativ auflädt. Die Faustformel: "Je mehr Anodenstrom, desto geringer der Gitterableitwiderstand" gilt immer, sogar bei Vorstufenröhren: Die ECC83 kann gut mit 2M und mehr betrieben werden, bei Vorspannungserzeugung durch Anlaufstrom kann sie sogar Gitterwiderstände von 10M ab, ECC81 und ECC82, die mehr Strom führen können, (v)ertragen da maximal 1M, Vorspannungserzeugung durch Anlaufstrom geht für Audiozwecke mit diesen Typen gar nicht.
Nebenbemerkung: ECC83 bzw. ECC808 mit 10M und Anlaufstrom-Vorspannungserzeugung sind übrigens ideale Piezo-Preamps, wenn es nicht auf Größe und Versorgungsleistung ankommt.Als letztes zur Frage: Was ist ein "Guru": Jemand, der beahuotet, der VOX AC30 arbeite im Klasse A Modus
Martin (wie gewarnt, mein Lieblingsthema
)