Moinmoin zusammen,
es gab mal eine schon widerlich falsche Aussage dazu in einem "führenden" deutschen Musiker-Magizin von einem "führenden" deutschen Röhrenguru. Der hat doch tatsächlich behauptet, dass Röhrenverstärker sehr viel empfindlicher gegen Netzspannungsschwankungen seien als Halblkeiterversträrker, weil die Versorgungsspannung eines Röhrenverstärker rauftransformiert würde und daher die Versorgung stärker schwanken würde als die Netzspannung und erst Recht als die runtertransformierte Versorgungsspannung von Halbleiterverstärkern.
Und das lesen dann Leute, die bessere Musiker als Techniker sind, in einer "Fachzeitschrift" und glauben das womöglich, daher mein widerlich weiter oben...
Ich schreib da deshalb mal viel zu, vorab: du hast Recht, es passiert nix Schlimmes.
Es geht bei Arbeitspunktverschiebungen immer um relative Änderungen, und die bleiben auch in deinem zugegebenermaßen hohen Toleranzbereich der Netzspannung schlicht und einfach gleich: Steigt oder sinkt die Netzspannung, so wird
- bei zu hohen Spannungserhöhungen der Amp irgendwie kaputt gehen (das betrachten wir mal nicht weiter...), bis dahin jedoch
- bei geregelten Netzteilen die Regelung dies ausgleichen (bei Röhrenamps für Musiker nicht relevant)
- bei ungeregelten Netzteilen (Röhrenamps für Musiker fallen in diese Kategorie) sich alle Spannungenin gleichem Maß ändern. Weil Arbeitspunkte der prinzipiell zwar "krummen" Röhrenkennlinien im allgemeinen in einem relativ "geraden" Bereich liegen, ändern sich damit auch die Ströme im selben Maß.
Im Fall eines "normalen Röhrenamps" heißt das konkret:
In allen Verstärkerstufen mit automatischer Arbeitspunkteinstellung steigt bei höher werdender Anodenspannung der Anodenstrom. Am Kathodenwiderstand fällt dann mehr Spannung ab, das Gitter wird negativer, steuert damit dagegen und stabilisiert so den Arbeitspunkt bei "langsam" schwankender oder unterschiedlicher Versorgung.
Bei Arbeitspunkteinstellung durch Anlaufstrom (in wenigen Vorstufen benutzt, ich liebe diese Schaltung, weil sie super hochohmig ist und dennoch verstärkt) stellt sich der Anlaufstrom und damit die negative Gitterspannung ebenfalls höher ein, wenn die Anodenspannung steigt und stabilisiert so den Arbeitspunkt.
Alle Verstärkerstufen, deren Arbeitsunkt fest mit einer Hilfsspannung ("fixed BIAS") eingestellt wird, ändert sich diese feste Vorspannung im exakt selben Verhältnis wie die Anodenspannung, was wiederum den Arbeitspunkt stabilisiert.
Alle wechselspannung verstärkenden Schaltungen müssen durch diese und oft auch weitere Maßnahmen gleichstrommäßig massiv gegengekoppelt werden und sind das auch. Sonst flösse bei Gegentakt-Verstärkern Gleichstrom durch den AÜ, bei Eintakt-Verstärkern würde der Arbeitspunkt "wandern". Das gilt selbstverständlich auch für die Verstärker ohne wechselspannungsmäßige Gegenkopplung wie z.B. den AC30.
Also: Der Arbeitspunkt deines Amps bleibt auf der selben an der Anodenspannung gemessenen relativen Höhe. Er verschiebt sich automatisch da hin, wo er die Erhöhung der Anodenspannung ausgleicht. Und das auch noch vollautomatisch, so funktionieren Gegenkopplungen halt;). Das tut jeder Amp genau so lange, bis er an die bei seinem Design festgelegte obere Versorgungs-Grenze kommt und dann halt daran stirbt.
Willst du den Arbeitspunkt verschieben, musst du in die Schaltung eingreifen: Kathodenwiderstände erhöhen, den Ruhestrom anders einstellen etc.
Bis hierhin ist es Tatsache.
Dass darüberhinaus Ruhestromeinstellung - gemeint sind Änderungen im 10%-Bereich, nicht das Verschieben aus dem A- in den AB- oder gar B- Betrieb - massiv überschätzt und größtenteils Voodoo ist, ist dagagen nur die Meinung von
Martin