Hallo
ich arbeite in der Wissenschaftstheorie und werde in den nächsten Wochen meine Doktorarbeit verteidigen. Darin hat Messen einen großen Raum eingenommen. Ich habe nämlich darüber gearbeitet, warum wir die Mathematik in Wissenschaft und Technik anwenden können und Messung ist ja genau diese Anwendung. Dazu mal ein kleines "Gutachten" zu dem Gerät auf Basis der Produktlinks und der Diskussion hier:
Jede Messung die sich so nennen will, muss einige Kriterien erfülen.
1. Das Ergebnis einer Messung ist eine Zahl gefolgt von einer Einheit. So z.B. "3km", "12m/s", "300mA/V" usw. Die Zahl sagt wieviel und die Einhzeit wie diese Zahl zustande gekommen ist.
Schon dieses Kriterium wird von dem Gerät nicht erreicht.
2. Eine Messung ist interpersonell stabil. Es ist also egal wer einen Messaufbau benutzt, er muss dasselbe Ergebnis bekommen. Ok, das ist hier vermutlich erfüllt. Eine Wünschelrute ist aber ein gutes Beispiel für etwas, dass dieses Kriterium nicht erfüllt.
3. Eine Messung ist wiederholbar.Unter gleichen Bedingungen müssen sich im Rahmen der Fehlerstreuung gleiche Ergebnisse erzielen lassen. D.h. auch dass verschiedene Exemplare des gleichen Messgeräts gleiche ergebnisse liefern müssen. Damit dieses Kriterium erfüllt werden kann, werden messgeräte kalibiriert und geeicht.
Das scheint hier auch nicht gegeben zu sein, wenn ich den Fred so verfolge.
4. Die Streuung der Messergebnisse muss angegeben werden können.Das bedeutet, ich muss angeben können, wie stark Messergebnisse abweichen, wenn ich die Messung zu verschiedenen Zeiten und Orten wiederhole. Das scheint mir nach Dirks Beschreibungen ebenfalls nicht gegeben zu sein.
5. Messergebnisse müssen Rückschlüsse auf das Verhalten des Gemessenen Gegenstandes erlauben.Das ist das wichtigste Kriterium, damit die Messung überhaupt relavant wird. Für einen Wissenschaftler heißt das, er muss eine Vorhersage auf Basis der Messung machen können. Beispiel: Wenn er die Entfernung Erde-Mond vermessen hat, kann er vorhersagen, wie lange der Flug dorthin mit so und so einer Geschwindigkeit dauert.
Für einen Ingeneur bedeutet das, dass er das Verhalten des Gegenstandes - hier eine Röhre - in einem Gerät - z.B. ein Amp - aus der Messung vorhersagen kann.
Genau hier scheint mir die größte Schwäche dieses Gerätes zu liegen. Das liegt daran, dass unter Praxisfernen Bedingungen "gemessen" wird - nämlich mit kalten Röhren. Das liegt daran, dass völlig willkürlich je nach Röhre das Ergebnis mal etwas über die Steilheit, mal Emission, mal Symmetrie aussagt. Und es liegt daran, dass so etwas wie "der Abstand von sechs Dioden" in ekeine Gleichung eingesetzt werden kann, die eine Vorhersage erlauben würde.
Fazit:
Jedes Voltmeter ist dichter an einem Röhrenmessgerät als dieser Apparat. Bei der Konstruktion wurde niemand gefragt, der sich wirklich mit Messungen auskennt.
Nun könnte man erwidern, dass es sich um kein Mess- sondern ein Prüfgerät handelt. Ein Prüfgerät ist ja etwas einfacher, als ein Messgerät.
Ein Prüfergebnis basiert aber immer auf einer Messung. Die Prüfung vernachlässigt nur irrelevante Aspekte. Ein Beispiel wäre z.B. eine Einparkhilfe. Wenn man weit vom anderen Auto weg ist, blinkt sie grün, wenn man gefährlich nah kommt gelb und wenn ein Unfall droht rot. So etwas ist ein Abstandsprüfgerät. Aus einer komplizierten Info einer Messung wie "das Hindernis ist 1328mm entfernt" wird nun eine einfachere Info - das gelbe Leuchten. Prüfungen sind also auch Messungen nur in einer Art Telegrammstil.
Das macht sie noch Fehleranfällig. Man muss nämlich angeben, ab welcher Enmtfernung die Einparkhilfe grün, gelb oder rot blinken soll. Es macht z.B. wenig sinn, wenn bis 3m Abstand grünes Blinken angesagt ist, von 3m bis 2,9m gelbes und unter 2,9m rotes Blinken. So eine Einparkhilfe, wäre erstens viel zu scharf, denn 2,90sind harmlos. zweitens ist der gelbe Bereich mit 2,9m-3,00m viel zu klein. Damit kommen wir zu einem weiteren Kriterium speziell für Prüfgereäte:
6. Man muss also eine nützliche Übersetzung der Messung in den vereinfachten Telegrammcode der Prüfung angeben.Genau so scheint mir der Fall hier auch nicht gelungen zu sein, wenn ich Dirks Ausführungen lese.
Aus wissenschaftlicher Sicht, hat Dirk also mit seiner Einschätzung von Anfang bis Ende recht behalten! Der Tubetester von Orange ist knapp besser als eine Wünschelrute.
Viele Grüße
Martin