Hallo Alleseits,
ich wollte mich mal aus der Position des Profigitarristen zu Wort melden. Ich habe während meines Jazz-Studiums 5 Jahre Hochschulbigband hinter mich gebracht (kenne also auch einen Großteil des Repertoires an nötigen Sounds) inklusive Teilnahme am Bundeswettbewerb in der Kategorie Bigband (2. Platz übrigens, jey!) und habe seitdem auch in mehreren professionellen Projekt-Bigbands gespielt, unter anderem mit Leuten von WDR, HR, NDR und Concertgebouw-Bigband. Für mich gibt es drei Aspekte die ich zu bedenken fände:
A) Leistung/Speakerbestückung für cleane Jazz-Gitarren-Solo-Sounds:
Grundsätzlich habe ich die Erfahrung gemacht, das der problematischste Faktor in diesem Ensemble der Moment ist, an dem man sich als Solist mit einem absolut cleanen Jazz-Gitarrensound (Besonders mit abgedrehtem Tonpoti) gegen Bläser-Backings durchsetzen können muss.
Alles andere (Comping, die üblichen Funk/Fusion/Rock-Sounds) ist meist nicht das Problem.
Man wird sofort Verzerrungen in Vor- und Endstufe feststellen können, da ein dunkler Klang auch immer mehr Leistung braucht, ganz besonders weil die Bläser relativ leicht die hohen Frequenzen zusetzen.
Das einfachste ist hier tatsächlich einen 85-100W-Amp (Natürlich Class A/B) in den Input 2 (Low-Impedance/Pegel-Pad, besonders mit Humbucker) und vor allem mit einer 2x12"-Bestückung zu haben.
Fender Twin ist hier (leider sehr groß und schwer) die erste Wahl und funktioniert ziemlich problemlos, Roland JC120 an zweiter Stelle (aber nur weil ich den Transistorsound absolut nicht mag). Hier geht es nur um Headroom und Klangqualität/Klangideal, nicht um Lautstärke. Die nicht genutzte Leistung wird im Prinzip als Puffer genutzt.
Ich habe es auch lange mit AER versucht, aber alles unter dem Acousticube geht in diesem Fall in die Knie (Hörbares Pumpen des Endstufelimiters) und an Zerrsounds ist ohne Speakersimulation kaum zu denken.
B) Miking:
Es wird zwar oft close-Miking in der Rhythmusgruppe gefahren, aber das Monitoring ist selten so, dass man (als zuverlässiger Standard) mehr als eine Monitorbox erwarten kann, mit der das Piano und der Gesang gestützt werden. Nach aussen wird man also selten Probleme haben, aber sich selbst besonders beim Solo gut zu hören.
Gerade Open-Back-Combos sind da sehr hilfreich, weil man rundum von den anderen gut gehört wird. Nicht nur deswegen sollte man aber auch nicht vor der Bläsersection sitzen (auch wenn das ausgleichende Gerechtigkeit heissen würde.)
C) Logistik:
Transport und Platz auf der Bühne stehen hier oft etwas entgegen. In Bussen im Laderaum ist meist etwas wenig Platz (geht aber) und auf der Bühne ebenfalls (muss aber gehen). Der Twin ist mir als ein Teil viel zu schwer (ich bin recht unsportlich).
Fazit:
- Wenn (!) ich potenziell solistisch mit einem ultracleanen Jazz-Sound spielen müsste ein 85-100W Amp (nur als Headroom gedacht) und ein Pad vor dem Eingang um die erste Röhrenstufe cleaner zu halten. Dies schliesst glücklicherweise alles andere mit ein.
- Ein Open-Back-Lautsprecher um mehr Klangverteilung nach aussen zu haben. Klug wäre bestimmt eine convertible Back, für den Fall dass man mal hinten zu machen muss (wenn Streicher/Bläser hinter einem spielen oder der Amp Richtung Bühnenpersonal zeigt kommt das übrigens sehr sehr gut an.)
- Bevorzug für den Bigband-Gib 2x12" damit man genug Fülle auch ohne PA hat und ohne dass der Amp bei höheren Lautstärken zu brüllen anfängt. Dran denken: Laut ist nicht gleich schön. Ich hasse es wenn mein Amp (in dieser Stilistik) das Singen anfängt weil die Endstufe komprimiert oder man mit einem einzigen nöligen Speaker Open Air oder in einem großen Saal die Luft bewegen muss. Immer auch die Bläser (Blech) mit in die Rechnung einbeziehen.
- Eine Kombi möglichst kleines Topteil mit leichter Extension-Box um das Gewicht zu minimieren und vielleicht sogar so, dass man die Box wie bei einem Dumble aufrecht hinstellen kann und das Topteil oben immer noch draufpasst. Eventuell über Tilt-Back-Legs und eine Montage-Einrichtung nachdenken, mit dem man das Topteil vor dem Runterrutschen bewahrt (Port City Amps macht das beim Pearl "Kurt Rosenwinkel" Modell).
Ich spiele aktuell einen auch soundmäßig modifizierten Mesa Lonestar (jetzt etwas näher am Twin) als Topteil mit einem Headshell von Tubetown und wann immer möglich mit einer 2x12" Box mit Jensen C12.
Hope that helps...