Hallo Nigel,
wie bei vielen Transistor- und OP-Amp Verstärkern ist das Problem, daß die Konstrukteure die Höhe der Transienten (und ihren Einfluß auf den Klangeindruck) im Gitarren- und Bass-Signal entweder nicht kennen, unterschätzen oder ignorieren. Der Anschlag-Peak geht leicht mal bis plus/minus 1,5 Volt , bei fetten Humbuckern oder beim Slap-Bass auch bis +/-3 Volt. Das Signal fällt natürlich schnell ab (nominell auf 0,5 bis 0,2 Volt je nach PU). Bei einem OP-Amp mit typischerweise +/- 13 Volt Aussteuerbarkeit bei +/- 15 Volt Versorgungsspannung ist man bei 1,5 Volt Peak also schon bei einem Verstärkungsfaktor von 13/1,5 = 8,66 im Transienten-Clipping.
Die ersten Music Man Amps hatten antiparallele Dioden am Eingang, die auf +/- 0,6 Volt begrenzten. Damit wurde die Eingangsstufe trotz eines Verstärkungsfaktors 22 nicht ins Clipping gefahren, aber erstens sind die symmetrisch begrenzenden Dioden für einen schönen offenen Cleansound nicht zuträglch und zweitens ging bei den MM-Amps je nach Einstellung der Klangregelung oder des Volume-Reglers die 2-te oder 3-te OP-Amp Stufe voll ins Clipping (und zwar nicht nur die Transienten). Nun gibt es heute beliebte Verzerrer (Fulltone OCD z.B.), die genauso brutal mit OP-Amp Clipping arbeiten. Die Geschmäcker sind halt verschieden.
Solange die MM-Verstärker noch die Treiber-ECC 83 hatten (mein MM-Kofferamp), die asymmetrisches Röhrenbegrenzung lieferte, ging die Sache noch.
Später wurde aber auch der Treiber durch Halbleiter ersetzt und eine Verzerrerstufe eingebaut. Diese war (im Vergleich zu populären Verzerrer) gar nicht mal schlecht - allerdings war der Verstärkungsfaktor dort viel zu hoch. Bekanntlich ergibt sich ein guter Röhren-Overdrive durch das Zusammenwirken mehrerer aufeinander folgender Röhrenstufen, die schrittweise die gewünschte Verzerrung liefern. Bei Halbleitern ist es grundsätzlich nicht anders.
Beim MM RD 50 hat man sich schon etwas zum Clipping überlegt. Erstens liefert die Eingangsstufe nur etwa einen Faktor 10.
Dann kommt im Overdrive-Kanal der Röhren-Limiter, der allerdings ziemlich brutal arbeitet. Im Clean-Kanal wird das Signal durch Dioden gegen eine Spannung (+/- 8V glaube ich) begrenzt. Das mildert die Sache aber mir scheint, daß OP-Amp-Clipping trotzdem an einigen Stellen auftreten kann.
Im Effekt klingt der Amp zwar sehr sauber aber auch etwas kantig und schönes "Ancrunchen" wie bei einem alten Fender, AC30 oder Marshall JTM 45 ist nicht machbar.
Was ich gemacht habe ist grob gesagt: Verstärkungsfaktor der Verzerrerstufe von etwa 200 auf 80 reduziert, die Eingangsstufe mit einer Schaltung ähnlich der Verzerrerstufe abgesichert. Zusätzlich habe ich mir eine asymmetrische Dioden/-MOSfet-Clippingstufe eingebaut, die das Verhalten von Vorstufenröhren simuliert. High Gain ist damit nicht machbar aber etwa soviel Crunch wie mit einem alten Fender. Ich stelle den Amp so ein, daß ich mit der Gitarre zwischen ganz clean, leicht rauh und deutlichem Crunch regeln kann.
Den Rest mache ich mit einem Overdrive-Pedal. Mit der Strat geht es bis in sattes JCM800 Terrain oder auch AC30 mit Treble Booster. Mit der Humbucker-Gitarre geht es bis zu Mesa-Boogie Mark 1 Santana Leadsounds.
Wie ich schon anderer Stelle hier im Forum anmerkte lohnt es sich, mit verschiedenen Dioden und auch FETs als Dioden und MOSFets zu experimentieren.
Ich finde, beim MM RD50 gibt es zwei echte Schwachpunkte: Der Clean-Kanal hat kein schönes Ancruchverhalten, da ein asymmetrisches Clipping fehlt und der Limiter-Kanal paßt nur für ganz bestimmte Röhrensounds. Da fehlt die Dynamik und die Offenheit, die z.B. ein AC30 oder ein klassischer Marshall haben. So wie die Arbeitspunkte der Limiter-Röhrenstufen ausgelegt sind, kann man aber auch nichts anderes erwarten.
Ich kann Dir leider keine Soundbeispiele liefern, da ich nur brauchbare Aufnahmen von meiner Cover-Band habe und wegen der leidigen GEMA-Urheberrechts-Problematik nichts mehr ins WEB stelle.
Mach was aus den Infos und gib mal Feedback, weche Erfahrungen Du mit Lautsprechern und Modifikationen gemacht hast. Ein Forum soll ja keine Einbahnstrasse sein.
Hier noch zwei Beispiele von einem sehr guten Blues-/Jazz Gitarrister (Chris Cain), der seit Jahren vorzugsweise MM RD 50 benutzt. Das klingt bei ihm doch ganz manierlich - oder ?
https://www.youtube.com/watch?v=rCPfq_OHhLAhttps://www.youtube.com/watch?v=f6Iu1wjwFGUGruß,
DocBlues