So.
Dieser Amp hat zwei weitere Inkarnationen erlebt.
Der MkIII war entstanden, bevor ich 2014 umzog und dann längere Zeit keine Band mehr hatte. Er kam daher auch nur noch kurz in Proberaum-Einsatz. Seither haben mir dann meine marshallized ENGL-Clone Ableitungen irgendwann nicht mehr so recht gefallen, und frühestens seit dem Friedman Hype und spätestens seit meinem Jubilee Clone muss es bei mir eher Marshallig sein. Der Jubilee war mittlerweile zu einer Art Referenz für mich geworden. Vor allem, was die Straffheit und Explosivität angeht. Die Freidman BE Schaltungen bspw. funktioneren bei kleinen Lautstärken ziemlich gut, werden dagegen regelrecht schmierig-verwaschen, wenn man lauter wird. Beim Jubilee kann man die Bass-Straffheit in der Zerre dank bright cap überm Gain pot wunderbar dosieren bzw. der verwendeten Gitarre anpassen. Aber das gesamte Design des Jubilee ist einfach einzigartig und schon deswegen sehr faszinierend. Nebenbei eben klanglich auch herausragend.
Dann bin ich vor ca. 1 Jahr ein bisschen auf den Wizard Modern Classic gekommen. Sehr viele Youtube Clips fand ich vielversprechend, also hab ich die MKIII Platform hergenommen und ein "Modern-Classic-alike" realisiert.
Der Modern Classic ist im Grunde ziemlich genau ein geboosteter Jubilee. Daher auch mein gesteigertes Interesse.
Rick St. Pierre, der Mann hinter Wizard Amps, hat die Stufen der FX Loop einfach drin belassen, und - falls gewünscht - eine Loop hinters tone stack gesetzt. Ich wollte bei insgesamt 3 Doppel-Trioden bleiben (brauche derzeit keine FX Loop), also habe ich es wie im angehängten Schaltplan umgesetzt (eine - in meinen Augen - zum Klang wenig bis nichts beitragende Stufe der ehemaligen Jubilee Loop weggelassen).
Leider habe ich vergessen, die Spannungen zu messen und im Schaltplan einzutragen, aber die dürften einige -zig Volt unter denen des Original liegen.
Die erste Inkarnation war ohne die roten Ergänzungen. Wenn Ihr das mit dem im Netz herumschwirrenden schems vergleicht, seht Ihr was ich anders gemacht hab.
Der Tone Stack war mir dann zu scooped (-> zurück zu Marshall Werten), und den Boost Kondensator an der ersten Kathode hab ich full range gemacht.
Der Amp klingt schon richtig toll, aber er kann wie der Jubilee nicht völlig weich und gleichmäßig die Zerre ausfaden. Das franzelt immer aus. Im Soundfile kann man das hören, in real ist es drastischer:
https://soundcloud.com/user-354566433/wizardmc-alike-ir?in=user-354566433/sets/amp-recordings-with-ir Keine Ahnung, wie sich das Original da verhält...
Zudem hat der Amp viel zu viel Gain für meinen Geschmack, Ab ca. 12 Uhr für mich nicht mehr gut nutzbar (aber nicht völlig matschig wie bei vielen Amps). Ohne den ersten Kathoden Cap klingt es irgendwie nicht richtig (ohne ist wiederum die Menge des Gain besser nutzbar).
Vielleicht wäre eine Erhöhung der B+ eine Möglichkeit, den Amp zu verbessern. Ob das aber das Ausfranzen der Zerre verhindert, glaube ich fast nicht.
Jedenfalls: So richtig bin ich damit nicht glücklich geworden.
Daher stand die Kiste auch erst mal rum.
Vor kurzem bin ich mal wieder über den den VHT/Fryette Deliverance gestolpert. Außer der Youtube Demo von Michael Nielsen gibt es eigentlich kein wirklich brauchbares Soundbeispiel im Netz.
Aber allein die kleinen Besonderheiten in der Schaltung (Gegenkopplung rund um Stufe 4 und 5, Kathodyn PI) haben mich dann bestärkt, es doch einfach mal auszuprobieren. Hier
https://www.tube-town.de/ttforum/index.php/topic,24035.0.html deutete es sich ja bereits an ... :-)
Also:
Schaltplan im Anhang.
Was ist abweichend zum Original?
- EL34 Endstufe
- schaltbarer More/less, separate Mastervolumes
- niedrigere Spannungen
- keine parallele Eingangsstufe, ergo andere Bauteilwerte dort
- ein reverse log 5k an Presence, da die 25klin II 10k einen unschönen Regelweg hatten
- der Höhensenker-C im GK Zweig der Vorstufe für den Less habe ich samt Umschaltung weggelassen -> 22n für beide Modes. Less klang mir sonst zu dünn beim direkten Umschalten.
Also, unter Vorbehalt, da wegen Corona noch keine Band-Tests erfolgen konnten: der Amp ist der absolute Hammer und schickt sich an, den Jubilee vom Thron zu stoßen.
Er ist dem Jubilee irgendwie ähnlich, aber doch ganz anders.
Zunächst macht er das Ausfaden der Zerre im LEss Mode PERFEKT, im More mode sehr, sehr gut.
Der EQ macht seine Sache viel besser, als mit Standard Marshall Werten, natürlich kann der nicht so extrem verbigen wie der Jubilee EQ. Braucht er aber auch nicht; die Reserven des Jubilee-EQs nutzt man auch eher selten aus.
Hier hatte ich die Befürchtung, der Deliverance wird sehr scooped klingen, zumindest schaut das "auf dem Papier" im TSC so aus. Aber vermutlich verhindert das die Soundformung vorm EQ.
Die Mitten sind bei Bedarf sehr schön fleischig.
Aufgrund des log Treble hat man in neutraler Stellung einen super Höhen- sweetspot, richtig dumpf kann er aber nicht (wer braucht das?), und die verfügbaren Höhenreserven wird auch nie jemand brauchen.
Bässe hat er ordentlich, straff ist das ganze, genauso wie das eigentlich alle user beschreiben. Das "trockene" kann ich nicht so recht nachempfinden, aber wer weiß, was damit gemeint ist...
Ihm geht die Kratzigkeit des Jubilee ab, trotzdem hat er ordentlich Höhen und ein super schönes Sizzle.
Die Bässe vor der Verzerrung lassen sich superst über den ersten Gain Regler dosieren. Ich denke Dropped X tuning für Djent-Prog-Bösmetal funktioniert mit dem auch super.
Die Umschaltung More/Less fügt eigentlich die (für mich) perfekte Mege an Gain hinzu. Less hat man einen strammen 2203er-in-fett Mid Gain Sound, More macht daraus einen 80er HiGain.
Der Sound macht geradezu süchtig. Ist mir völlig schleierhaft, warum der Amp nicht mehr Beachtung erfährt. Er macht das meiste besser als alle mir bekannten Amps (soweit man das aus der Erinnerung sagen kann...).
Sound file hier:
https://soundcloud.com/user-354566433/thedeliverance-ir?in=user-354566433/sets/amp-recordings-with-ir, da steht übrigens auch alles zum Aufnahme Setup drin. Gitarre wie immer eine stock Music Man Axis Sport . Bei den Aufnahmen hab ich auf gleiche Art und Weise zum Vergleich nochmal den Jubilee, den Smallbox Clone und eben die Wizard Inkarnation eingespielt, wo ich schonmal dabei war.
Hier in leicht gehobener Zimmerlautstärke (Corona...) über die DYI reaktive last und 1x12" mit 30 Jahre altem Vintage 30 ist das für mich geradezu perfekt, und momentan würde ich sagen: besser geht es vermutlich nicht mehr. Das muss ich allerdings unter Vorbehalt sagen, denn das Ding im Bandkontext zu testen, is momentan bekanntermaßen leider nich.
Trotzdem es gerade nahezu perfekt ist, juckt es einen dennoch in den Fingern:
- PCB entwerfen und weiteres Exemplar bauen? Schließlich hab ich zwei Projekte, und jedes Mal den Amp umziehen...?
- Clean Kanal dazu?
- neuer Netztrafo mit höheren Spannungen?
- KT 88 Endstufe?
Anbei auch Bilder von der neuen Optik. Innen erspar ich Euch, das ist nicht so sehr ansehnlich, da doch einiges an Leitungen herumschwirrt.
Leider hab ich vergessen, schwarzes Piping mitzubestellen. Das stört mich noch etwas. Nächstes Mal... :-)