Grundsätzlich kann man Clean und High-Gain Konzepte in einem Verstärker vereinen, nur ist die Frage man weit man es mit dem Schaltungsaufwand treiben will, bzw. wie weit man bereit ist Kompromisse einzugehen. Du kannst durchaus einen Verstärker bauen, der nen Fender, nen Marshall, und einen SLO Kanal hat. Nur wenn alle Kanäle unabhängig und frei von Kompromissen sein sollen brauchst du entweder neun Vorstufen Röhren, oder halt 30 Relais. Dem Ganzen wird da einfach durch den verfügbaren Bauraum und die Wirtschaftlichkeit eine Grenze gesetzt.
Und spätestens in der Endstufe treffen die beiden Signalpfade ja wieder aufeinander. Mal ein Beispiel: für einen fetten aber auch tighten Metal Sound braucht es eine starke Beschneidung der Tiefen am Eingang der Vorstufe, in der Endstufe brauche ich dann aber wieder einen Depth um einigermaßen Druck rein zu bekommen. Im Clean Kanal stört diese Bassanhebung in der Endstufe dann wieder gewaltig. Lösung in dem Fall ist dann eben wieder ein zusätzliches Relais, was den Depth im Clean wegschaltet, oder aber ich muss den Cleankanal so abstimmen, dass er auch mit dem Endstufendepth klar kommt, das sind dann halt genau die angesprochenen Kompromisse.
Und was ist wenn ich für Clean eine offene 2x12, für den High-Gain aber eine geschlossene 4x12 bevorzuge? Dann wird es noch komplizierter... Gerade der Lautsprecher ist ein Einflussfaktor der äußerst gerne übersehen wird. Die schon gennanten 30% würde ich zumindest für stark verzerrte Sounds auf mindestens 80% anheben. Irgendwann kommt man hier einfach an den Punkt, wo es einfacher ist sich zwei Verstärker und Boxen rauszusuchen die den gewünschten Klang erzeugen und zwischen beiden mittels A/B Box umzuschalten.
Den von dir verlinkte Artikel verstehe ich so, dass es darum geht mit nur einer Vorstufe ein komplettes Feld and verschiedenen Sounds abzudecken. Das mag mit Kompromissen gehen, grundsätzlich ist es aber einfach so, dass die Vorstufenkonzepte eines AB763 und eines SLO stark verschieden sind. Um dafür mal ein Gefühl zu vermitteln habe ich zwei Pläne von vierkanaligen Verstärkern angehängt, die eine vielzahl an möglichen Klängen abdecken (sollen). Für einen Bastler der wohlmöglich nicht die Möglichkeit hat eigene PCB's zu entwickeln ist sowas mit vertretbaren Aufwand nur schwer umsetzbar.
Ein PPIMV ist meiner Ansicht nach nicht bloß ein Feature, sondern muß ganz klar zum Verstärker und Konzept passen. Niemand baut sowas in einen 5150, in einem Plexi dagegen sieht es wieder ganz anders aus. Für Hardrock bis Metal ist eine zerrende Endstufe absolut kontraproduktiv, für Classic Rock, Blues und Co. kann es aber genau das gewünschte Mittel sein. Wenn es sparkly clean sein soll dann darf natürlich nichts zerren.