Hallo,
( mit freundlicher Genehmigung der Forenmaster: http://www.jogis-roehrenbude.de/Leserbriefe/MMeyer-Gitarrenamp/Gitamp.htm )
seit einiger Zeit ist ja nun dieser Amp bei mir in Betrieb und ich möchte gern dazu einige kritische Erfahrungen loswerden.
* Positiv:
was den Sound betrifft, fiel mir auf, welche WELTEN zwischen diesem Clone und z.B. der Wiedergabe eines Blues Deluxe liegen. Der Clone kommt klarer, feinzeichnender, mit viel mehr 3D, also räumlicher; mit weniger Nebengeräusche. Der Hall ist dreidimensionaler; der Sound ist einfach richtig "Fender" oder "amtlicher", um dieses Wort mal zu gebrauchen.
Sofern man diese zwei Amps überhaupt vergleichen kann. Gestern baute ich nämlich testweise den Blues Deluxe wieder zusammen und lauschte.
Der Amp reagiert gut auf unterschiedliche Vorröhren, hier ist ein sehr weites Feld für individuelle Soundvorstellungen. Allerdings fiel mir rein hörtechnisch kaum ein Unterschied zwischen einer oft so geschmähten Sovtek 12AX7WA und einer ECC83S auf, abgesehen davon, dass die ECC natürlich wg. ihrer höheren Verstärkung lauter kommt.
* Negativ bzw. verbesserungswürdig:
Der Jensen C12Q ist m.E. für das Gehäuse des Blues Deluxe nicht unbedingt geeignet. Die Wiedergabe ist ungeheuer basslastig, selbst bei Schaltungsänderungen im Tonestack.
(Das verschwindet zwar, aber klar zulasten der Wiedergabe insgesamt, wenn man z.B. einfach den Eminence des Blues Deluxe stattdessen ins Gehäuse schraubt, der passt zum "Gehäuseeigenklang" viel besser. Schraubt man das Chassis/den Verstärker des Blues Deluxe mit dem Jensen zusammen ins Gehäuse, so bleibt diese extreme Basslastigkeit. Der Tonestack ist fast wirkungslos (Mittenregler), ebenso der Presence-Regler.)
Mit dieser Wiedergabe unmittelbar im Zusammenhang:
Der Amp ist und bleibt clean schweinelaut. Er hat sehr hohe Leistungsreserven. Anzerren bei gemässigterer Lautstärke ist mit Singlecoils nach wie vor schwierig; auch wenn man am Bias ändert, wie man will bzw. kann im Rahmen des Möglichen. Ursache sind nicht nur die zu hohen Betriebsspannungen, sondern die Hauptursache liegt im zu großen Netztrafo; seiner Möglichkeit, einen hohen Strom auch bei Belastung konstant abzugeben.
Der Original-DR "lebt" vom Zusammenbruch, also vom Sich-Absenken der Betriebsspannungen bei Belastung und damit verbunden mit dem Anzerren und/oder Komprimieren, usw. des Sounds. Dies bringt zum einen sein Netztrafo mit seinen geringeren Anodenspannungen; zum anderen seine geringere Kerngröße! Der in meinem Amp eingebaute TT-Netztrafo 022798 mit seiner längsten Kernabmessung von ca. 105 mm ist für einen Amp mit 2x 6L6 geeignet - für den AB763-Clone ist er einfach zu mächtig. Der im DR verwendete Netztrafo hat eine längste Kernabmessung von ca. 85 mm.
Die Betriebsspannungen verringern sich zwar mit Nachlassen der Emissionsfähigkeit der GZ34, sind aber zu hoch. Hier kann man (ich schrieb an anderer Stelle schon darüber) zwar die Anodenspannungen der GZ34 absenken durch 'Verkokeln' der 2x 37 Volt mittels Widerständen oder man benutzt ausgelutschtere oder andere Gleichrichter, wie ich es mit einer alten 5Y3GB tat. Der Haken an der Sache: sinken im Originaltrafo die Betriebsspannungen durch Belastung, so gleitet auch die Biasspannung!
(Das Absinken der Heizspannungen lasse ich mal schon wg. der Wärmeträgheit der Kathoden außer acht.)
Ändere ich also im hiesigen Trafo nur die Anodenspannungen durch Verkokeln, so sinkt sehr theoretisch im (zu starken) Trafo bei Belastung nicht die Biasspannung. Und damit bekomme ich sehr wahrscheinlich ein anderes Verhalten der Endstufe gegenüber des Originals....
Ein Vorschalten eines Kokelwiderstandes vor den Trafo, also auf seiner Primärseite, muss hier, denke ich, nicht angerissen werden...
* vorsichtiges Fazit:
Der AB763-Clone nähert sich clean sicherlich einem Fender-Original-cleanen Ton. Was allerdings den Clean-Headroom betrifft, so läuft die Schaltung bei Verwendung des o.g. Netztrafos der Philosophie speziell des DR-Originals zuwider, der beizeiten beginnen soll, anzuzerren. Der AB763-Clone bedient in dieser Hinsicht ungewollt eher lautere und stabilere Fender-Amps.
Gruß Michael