Hallo Kai,
die Solen Fast verarbeiten - bauartbedingt - Impulse und Feinheiten des Signals sehr schnell und damit detailliert. Das Signal wird also dynamischer und unverfärbter übertragen. In diesem Sinne kann man schon sagen, daß Solen fast in einer anderen Qualitätslage spielen als Mallory, Orange Drops, Xicon, Wima MKP4 etc.
Ob einem dass Klangmäßig undedingt gefällt ist natürlich die zweite Frage - da hast Du recht.
Man sollte allerdings zweierlei Aspekte betrachten:
1. Verfärbungen im Frequenzgang. Die können bei Gitarrenamps durchaus erwünscht sein und ein technisch weniger guter Kondensator kann z.B. Höhen und Bässe abdämpfen und damit die Mitten betonen.
Hier kann z.B. ein Mallory oder Roederstein genau die Mittenbetonung bringen oder ein Orange Drop das zusätzliche Fender-Klingeln.
2. Die Impulsverarbeitung und Sensitivität. Hier ist die Frage, ob Feinheiten des Anschlags, der Spieldynamik und des Ausdrucks des Gitarristen übertragen werden oder ob ein Teil davon im Signalweg - z.B. an weniger guten Kondensatoren - verlorengeht. In dieser Hinsicht ist Solen Fast sehr viel besser als die anderen genannten Caps und Polyester Caps wie Mallory fallen deutlich zurück.
Das ist etwa der gleiche Effekt, als wenn Du eine Taylor oder Lakewood Akustk-Gitarre mit einer 300 Euro Gitarre vergleichst. Ein anderes Beispiel wäre, einen Celestion Alnico Gold mit einem Simple-Speaker für 50 Euro zu vergleichen. So ist es eben zwischen Solen Fast und Mallory oder Roederstein.
Das Problem ist also, daß man ja eigentlich die Sesitivität nach Punkt 2 in jedem Fall haben will (wer will schon einen leblosen, matten Ton), andererseits in Gitarrenverstärkern aber die gezielte Verfärbung des Signals wie in Punkt 1 häufig erwünscht ist.
Der einzige Weg, beides zu kombinieren, ist, nicht genau an den klassischen Schaltplänen hängen zu bleiben, sondern einerseits die besseren, sensitiveren Bauteile für Details und Punch zu verwenden und die Verbiedung des Frequenzgangs durch andere Bauteilwerte und modifizierte Schaltungen (gegenüber den vintage-Originalen) zu erreichen. Dann hat man das Beste aus beiden Welten. Dagegen spricht , daß man mehr Aufwand (bei der Klangabstimmung) treiben muß und mehr Erfahrung braucht.
Wenn Du also z.B. einen Marshall JCM 800 (2204) auf Solen Fast umrüstest und vielleicht auch die Keramik-Kondensatoren auf Silver Mica umstellst, geht Dir der typische Marshall Sound etwas verloren. Wenn Du dann aber die Bauteilwerte modifizierst (Kondensatoren, Widerstände) und ggf. ein paar Details änderst (wie Grid-Stopper und Höhen-Dämpfung) bekommst Du ein Marshall-Upgrade: Sensitiver, mehr Punch, detaillierter mit Biss aber weniger kratzig.
Wenn Du dagegen einfach nur genau das haben willst, was Marshall 1980 war, dann nimm Polyester Caps und versuch auch die anderen Bauteile genau nachzuempfinden.
Eines sollte man aber nicht vergessen: Die Bauteilauswahl bei Fender, Marshall etc. geschah auch früher bereits vorrangig nach Kostenüberlegungen und nach Verfügbarkeit am Markt und nur zum geringen Teil nach klanglichen Gesichtspunkten. Das hat sich bis heute kaum geändert - eher im Gegenteil. Der Preisdruck ist noch stärker geworden und die Amps werden noch billiger zusammengeschustert. Wenn Marshall die Amps mit Solen Fast und besseren Widerständen ausrüsten würde, wären die mindestens in der Preiskategorie von Mesa Boogie.
Es ist alles eine Frage davon, was man erwartet und ob man die Dinge (Amps, Gitarren) noch verbessern will oder davon ausgeht, daß nur der Stand der Technik und der Kostenrechnung von 1980 oder gar von 1962 das Maß aller Dinge ist. Nur weil vieles von der Stange heute so mäßig klingt, heißt das nicht, daß man es nicht heute noch besser als in früheren Jahrzehnten machen kann.
Ich treibe die Dinge halt gern noch weiter und entdecke neue Möglichkeiten. Das muß natürlich nicht für andere gelten - nur nimmt man sich dann ein paar Möglichkeiten und Chancen. Übrigens hätte es weder die Les Paul Gitarre ohne die Neugier und Experimentierlust von les Paul gegeben, noch die Telecaster oder Stratocaster, wenn nicht Leo Fender Grundprinzipien des Gitarrenbaus in Frage gestellt hätte. Aber gerade bei Leo war vieles kostengetrieben und nicht klangtechnisch motiviert.
Lat but not least: Mit frischen Ohren, offener Grundhaltung und etwas Geduld experimentieren bringt letztlich mehr als darüber zu schreiben.
Gruss,
DocBlues