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Technik => Tech-Talk Lautsprecher => Thema gestartet von: papa_jo am 20.03.2012 23:37

Titel: Ampeg 410 HLF - Verschleiß, Materialschwäche, Überlastet?
Beitrag von: papa_jo am 20.03.2012 23:37
Hallo an alle,

ich habe die Ampeg 410 HLF von einem Freund zum durchsehen bekommen, weil die Box bei gewissen Tönen starke Resonanz zeigt und dazu noch stark verzerrt.

Als erstes hab ich mir mal das Terminal genauer betrachtet, aber nicht wirklich einen Fehler feststellen können, außer das die Sicherung für den Hochtöner durch war, aber na gut, wer braucht den schon beim Bass (finde die klingen immer ka**e, auch bei Gitarren). Also weiter gesucht und überall gerüttelt, gedrückt und gezogen aber alles fest.
Als nächstes hab ich mich mal dann den Speakern zugewandt.
Erste Feststellung war der unter rechte Speaker kratz ein klein wenig. Schon mal nicht so fein, aber eine mögliche Ursache.
Bei genauerer Betrachtung und vorsichtigen Bewegen der Membran ist mir aufgefallen das diese nahe an der Sicke, ab einem gewissen Punkt beim herausbewegen weg knickt. Als ich mir dann mal die anderen Membranen angesehen habe, musste ich leider feststellen das bei allen Vieren ein leichter Knick-Pfalz zu erkennen ist.

Meine Vermutung ist jetzt das die Box mal ganz schön Ackern musste und das dabei ein so hoher Druck in der Box herrschte das die Membranen nachgegeben haben und nun an der Pfalz geschwächt sind und so die Verzerrungen zustande kommen, weil es immer wieder zum weg knicken der Membran kommt.
Das die Box aber mal so derb überlastet wurde ist mir aber schwer vorstellbar, weil die Box wirklich einen soliden Eindruck macht und schließlich mit 400W Belastbarkeit angegeben wird. Schließlich ist sie auch als eine Bassbox konzipiert und sollte auch mal starken Bassimpulsen stand halten.

So schließt sich jetzt ein ganzer Haufen an Fragen an.
Was haltet ihr von meiner Vermutung bezüglich der geschwächten Membranen?
Kennt Ihr ähnliche Probleme? (Ich habe schon mehrere Bassboxen benutzt die dieses widerliche Resonanzverhalten hatten, bin aber bisher nie auf einen Defekt gestoßen)
Gibt es eine günstigere Alternative außer die Speaker auszutauschen? (Eventuell irgendwas mit dem man die Membran einstreicht kann und diese dadurch verstärkt)

OK soweit so gut
schönen Abend noch
Michael
Titel: Re: Ampeg 410 HLF - Verschleiß, Materialschwäche, Überlastet?
Beitrag von: Tube_S_Cream am 23.03.2012 09:49
Die HLF ist doch die Bassreflex-Version der Ampeg 4x10. O.K. 400W thermisch wird sie wohl aushalten, aber im Tiefbassbereich sieht das naturgemäß anders aus. Wenn Du so einer Box ein Low B mit geboosteten Tiefbässen zumutest, kann schon bei 100-150W der Punkt erreicht sein, wo die Maximalauslenkung der Chassis erreicht ist und dir das ganze noch nicht einmal laut vorkommt. Bei den geschlossenen Ampegs bewirkt das Gehäuse einen natürlichen Hochpass, der das schlimmste verhindert. Die Bassreflexmethode bedämpft die Chassisbewegungen auch sehr stark... aber nur im Bereich der Systemresonanz. Darunter ist es praktisch eine offene Box.
Keine Ahnung zudem, was Ampeg heute in den Vietnam-Boxen verbaut.
Bei falscher Soundeinstellung kann man aber so eine 400W-Box schon mit einem 200W-Amp ermorden.
Tiefbass ist eh völlig überbewertet. Was einen Basssound fett macht, ist ein ordentliches Pfund Schalldruck von 80 -160Hz. Alles darunter verursacht undefiniertes Wummern und verursacht Krieg mit der Bassdrum.
Auch eine dicke Electrovoice Doppelfuffzehner geht erst ab 60Hz aufwärts mächtig zur Sache und da wird wohl kaum einer behaupten, die hätte zuwenig Bässe ;-).
Die ganze Theorie 'a la Low E hat 40Hz bzw. Low B um die 30Hz, also muss die Box auch soweit runtergehen, ist quark! Wer mal seinen E-Bass mit dem PC aufnimmt und eine Spektrumanalyse macht, wird sehen, daß bei den tiefen Bässen die 2. Harmonische deutlich lauter ist als der Grundton. Erst ab hier spielt die Musik.
Tipp übrigens, wenn man die Boxen schonen will und nicht selbst zum Lötkolben greifen will, ist der "Thumpinator" (siehe Google) eine tolle Sache.  Das ist ein kleines aktives Hochpassfilter 6. Ordnung, was die für BR-Boxen gefährlichen Subbässe abschneidet. Folge ist ein druckvollerer und auch lauterer Sound bei erheblich reduzierter Membranauslenkung.
Die HLF braucht jedenfalls nen neuen Speaker.

Gruß
Stefan
Titel: Re: Ampeg 410 HLF - Verschleiß, Materialschwäche, Überlastet?
Beitrag von: papa_jo am 28.03.2012 21:14
Vielen Dank für die Antwort. Das mit den Subbässen war mir bisher noch nicht klar, auch nicht das die Box unter ihrer unteren Resonanzfrequenz wie eine Offene ist. Damit ist wohl deutlich die Ursache für den Defekt gefunden.

Den Thumpinator finde ich eine ganz interessante Sache. Hast du den schon mal von innen gesehen? Sind das einfach 6 aktive Hochpassfilter mit identischer Grenzfrequenz und identisch aufgebaut? Das sollte ja nicht so schwer sein auch selbst zu bauen.

Trotzdem mal allgemein die Frage, sollte man diese tiefen Bässe lieber in nach dem Bass oder in einer Effektschleife rausfiltern?

Grüße
Michael
Titel: Re: Ampeg 410 HLF - Verschleiß, Materialschwäche, Überlastet?
Beitrag von: Tube_S_Cream am 29.03.2012 13:19
Selbstbau lohnt sich echt nicht... auch wenn das Ding 'nen Hunni kostet.
Für ein Butterworth-Filter 6. Ordnung brauchst Du Widerstände aus der Baureihe E96 und sehr eng tolerierte Folienkondensatoren etc. Sonst ist das Ergebnis eine Berg- und Talfahrt.
Mit normalen Bauteilen ist selbst eine Welligkeit von +/- 3dB ein Wunschdenken.
Im Bassic.ch-Forum existieren schon ein paar Gutshots von dem Teil. Ist sauber und solide auf einer doppelseitigen Platine in einem Vollmetallgehäuse untergebracht.
Das Filter trennt den Frequenzbereich unterhalb ca. 30Hz so scharf ab, daß der Ton des Basses überhaupt nicht beeinflusst wird. Die Videos auf der Homepage zeigen, wie sehr die Speaker mit und ohne dieses Teil fliegen.
O.K. Ketzerisch könnte ich auch sagen: Dreh die Tiefbässe nicht voll auf, kultiviere deine Anschlagstechnik und es geht auch. Ansonsten ist der Thumpinator eine nette Rückversicherung, die die Speaker allgemein schont.
Im Bassic-Forum haben Kollegen schon beschrieben, daß der Amp damit druckvoller klingt. Ist ja auch klar, der Amp kann nicht mehr durch Subbassfrequenzen, die z.B. beim Slappen oder hartem Anschlag entstehen können, übersteuert werden. Das Ergebnis wird klarer und lauter.

Gruß
Stefan
Titel: Re: Ampeg 410 HLF - Verschleiß, Materialschwäche, Überlastet?
Beitrag von: papa_jo am 29.03.2012 16:20
Ja, das Video dazu auf der Homepage hab ich auch gesehen, ist schon beeindruckend was man alles nicht hört aber für Bewegung sorgt.
Vielen Dank dir nochmal für die Infos. Ich werde mich da mal im bassic.ch Forum ein bisschen umgucken.

Grüße
Michael
Titel: Re: Ampeg 410 HLF - Verschleiß, Materialschwäche, Überlastet?
Beitrag von: jacob am 29.03.2012 17:05
Hi,

erstaunlich finde ich, dass es so ein praktisches "Präzisions-Rumpelfilter" (noch?) nicht auch von einem deutschen Anbieter gibt.

117 GBP (immerhin incl. Versandkosten) für den "Microthumpinator" sind m.E. zwar nicht direkt gnadenlos überteuert, aber doch recht kraftvoll  ::)

Andererseits kann sich diese Anschaffung aber auch wieder blitzschnell amortisiert haben- ein professionelles Reconing mit Originalteilen & Versand ist ja nicht gerade preiswert  :P

Gruß

Jacob
Titel: Re: Ampeg 410 HLF - Verschleiß, Materialschwäche, Überlastet?
Beitrag von: SvR am 29.03.2012 18:40
Salü,
Selbstbau lohnt sich echt nicht... auch wenn das Ding 'nen Hunni kostet.
Für ein Butterworth-Filter 6. Ordnung brauchst Du Widerstände aus der Baureihe E96 und sehr eng tolerierte Folienkondensatoren etc.
Oder mit DSP und Filter in Software. Billig, klein und geringer (Hardware)-Aufwand.
mfg sven
Titel: Re: Ampeg 410 HLF - Verschleiß, Materialschwäche, Überlastet?
Beitrag von: haebbe58 am 29.03.2012 19:04
Hi,

ich gebe auch mal meinen Senf dazu ....

Klar, je steiler und sauberer das (oder der?) Filter ist, desto mehr Effektivität hat das, was man damit bezweckt.

Aber 6. Ordung ist natürlich schon starker (aufwändiger/teurer) Tobak!

Ich habe jedoch auch schon gute Erfahrungen mit einfacheren Filtern gemacht, z.B. 12 db oder 24 dB (das sind dann 2. oder 3. Ordnung) z.B. auf 40 Hz oder 45 Hz... auch das gibt eine spürbare Entlastung für die Speaker, sie schwingen freier und die Bässe wirken dadurch straffer ... vor allem bei 10"ern und 12"ern sehr zu empfehlen ...

Zumindest besser als nix und zumindest ein gewisser Schutz ....

Gruß
Häbbe
Titel: Re: Ampeg 410 HLF - Verschleiß, Materialschwäche, Überlastet?
Beitrag von: 12stringbassman am 30.03.2012 08:34
Ich habe auch sehr gute Erfahrungen mit einfachen Filtern 2. Ordnung gemacht. Allerdings waren das Eigenbauten, bei denen die Box und das Filter zusammen eine Hochpassfunktion 6. Ordnung bilden. Die BR-Box für sich stellt einen Hochpass 4. Ordnung dar, zusammen mit dem elektronischen Filter vor der Endstufe ergibt sich eine Funktion 6. Ordnung. Die Teilfilter müssen allerdings aufeinander abgestimmt sein.
Wenn  alles passt, liegt die Filterfrequenz auf oder knapp unterhalb der Resonanzfrequen der BR-Box und schneidet effektiv die Frequenzbereiche weg, bei denen nur heiße Luft aus dem Tunnel kommt.

Jörg Panzer hat dazu mal ein gutes Buch geschrieben: "Konstruktion von Basslautsprechergehäusen"

Grüße

Matthias
Titel: Re: Ampeg 410 HLF - Verschleiß, Materialschwäche, Überlastet?
Beitrag von: Tube_S_Cream am 30.03.2012 16:12
Die gute alte B6 oder QB3-Abstimmung  8)
Ja, die kleine blaue Panzerfibel habe ich auch noch irgendwo rumliegen.   ;)
Für Aktivboxen eine richtig tolle Sache!

Zum Thema DSP und Digitalfilter...
So einfach wie es klingt... Ein Filter im Tiefbassbereich ist eine Wissenschaft für sich. Wenn ich da noch an die ersten Behringer Ultracurve denke.. damals eine Sensation.. der hatte im Tiefbassbereich Klirrfaktoren im zweistelligen Bereich  :o. Richtig gute DSPs arbeiten hier mit 80bit Floating-Point-Auflösung, um hier wie Analoggeräte zu klingen. Da kommt noch was zu: Je tiefer die Frequenz, umso länger das Delay durch die Filterschaltung. Das mal eben mit einem kleinen DSP, der vielleicht intern noch mit 32bit Integer rechnet, ist kaum realisierbar.

Einige Virtuosen der zupfenden Front empfinden die Durchlaufzeiten bei digitalen Effektgeräten oft schon als unzumutbar. 10ms entspricht 3,5m Abstand zusätzlich von der Box weg... Der Amp fühlt sich nicht mehr so "tight" an.. das habe ich auch schon so von der Basserfront gehört.

Ich muß zugeben, daß mich das bei meinem Boss ME70 und TC-Nova-Effekt noch nich aufgefallen ist. Vielleicht bin ich eh so träge, daß es da noch keine Beeinträchtigungen gibt  ;)

Gruß
Stefan