Eat this:
Ich habe mal abseits der ausgetretenen Gitarrenlautsprecher-Pfade etwas ausprobiert, was ich mit Euch teilen wollte. Dazu muss ich etwas länger ausholen.
Was mich an typischen Gitarrenlautsprechern im 12" Format stört:
1. fast alle 12" Lautsprecher haben einen on-axis Peak irgendwo zwischen 2 und 4 kHz, der manchmal über 10dB (!!!) über dem restlichen relevanten Schallpegel liegt
2. ALLE 12" Lautsprecher bündeln ab einem ungefähr errechenbaren Frequenzbereich ihre Schallenergie in einem recht schmalen Winkelbereich (nachzulesen unter:
http://homepages.fh-regensburg.de/~elektrogitarre/, die erste mir bekannte, allumfassende, deutschsprachige wissenschaftlich tiefgründige Abhandlung übers Thema, alles komplett ohne Voodoo, humorvoll und dennoch fundiert geschrieben). Seltsamerweise klingen für mich Gitarrenlautsprecher immer dann gut, wenn ich vergleichsweise nah an der Box bin, und die gebündelten höheren Frequenzen meine Beine massieren. Somit hab ich Bereiche im Proberaum wo ich mich schlecht höre (obwohl der Amp laut genug ist...), und Bereiche wo es nur noch ätzt und zu laut ist.
3. wie in 2. und 1. angedeutet bläst man jede Menge Schallenergie sinnlos in die Botanik, und vor allem gar noch den Hochmittenpeak, weil der nämlich aufgrund der Wellenlänge im besagten Bündelungsbereich "anfällt".
4. im Hochton/Hochmittelton-Bündelungsbereich klingt es einfach nur Scheiße, vor allem verzerrt. Clean ist es allerdings meist noch halbwegs ertragbar.
5.die Speaker sind dermaßen wirkungsgradstark, aber eben sinnloserweise, wegen des Hochmittenpeaks. In suboptimalen Umgebungen, in denen wir Hobbymusiker uns zu 95% bewegen, wird der wie in 3. angedeutete Sinnlos-Schall auch noch wieder reflektiert und gelangt zeitverzögert wieder an unser Ohr - lauter als der rest der reflektierten Schallenergie. Was ein Klangsalat! Raumakustik - ich kann es immer nur wieder sagen: Ein viel zu wenig beachtetes Thema !!! Aber das nur nebenbei...
6. meine persönliche Meinung: warum werden die Speaker so gebaut, dass sie selbst noch gehörig Verzerrungen produzieren? Somit klingen sie bei höherer Lautstärke noch spitzer, noch ätzender und unpräziser.
7. man packt am besten 4 Lautsprecher in eine Box, damit man eine noch unhomogenere Abstrahlung erreicht. Ja super. Denn je mehr Lautsprecher ich in eine Box packe, umso stärker fängt sie - frequenzabhängig - zu bündeln. Deswegen klingen 1x12"er anders als 2x12" er und anders als 4x 12"er. Und das natürlich abhängig vom Hörort: Es ergeben sich Bündelungsmaxima und "Breitabstrahlungs-Maxima".
Mein Lösungsansatz ist eigentlich so simpel:
Man nehme - da man ja erstmal nur seine bestehende 2x12" Box zur Verfügung hat - einen 12" Basslautsprecher aus dem PA Bereich, sowie einen 6,5" Lautsprecher, den man auf einen Adapterring montiert. Beide sollen einen recht glatten Frequenzgangverlauf haben. Der 12"er kann auch gerne recht früh in den Höhen/Hochmitten abfallen, da der 6,5"er bis in die Hochmitten sehr wenig bündelt. Zudem wähle man beide gerne auch etwas wirkungsgradschwächer, somit kann man sein Röhrentop noch eher in den Endstufen Overdrive pushen. Es ist zu erwarten, dass der 6,5"er oben rum zuviel Sizzle durchlässt, und man ihn mit einem Tiefpass bändigen muss. Ebenso ist zu erwarten, dass man den 12"er auch nicht bis zu seiner Frequenzobergrenze laufen lässt , da dann wieder in dem Bereich, wo beide Speaker spielen, die Bündelungsmaxima und "Breitabstrahlungs-Maxima" zu Tage treten. Man braucht quasi sowas wie eine Frequenzweiche.
Gesagt, getan:
Ich habe einen 6,5"er, ein Eminence Alpha 6, eingebaut (oben) und einen 12" Tieftöner, ein Noname Neodymbass aus China, ein Sample aus unserer Entwicklungsabteilung was halt zur Verfügung war (skeptisch wie ich bin, wollte ich wenig bis kein Geld ausgeben).
Ohne irgendwelche Frequenzweiche klingt das wider Erwarten schon relativ gut. Klar es klingt anders. Aber doch nach Gitarre. Das sehr nun sehr aufgefächerte Bündelungsverhalten überzeugt auch: Der Klang ändert sich WESNTLICH weniger, wenn ich 70cm vor meinem Stack stehe, oder wenn ich 3m weit weg stehe. Das ist echt eine Offenbarung!!! Ich habe dann gegen den etwas zu starken Sizzle einen durch einen Reihenwiderstand in seiner Wirkung abgeschwächten Kondensator parallel zum 6,5"er geschalten. Ich habe auch mal einen LC-Tiefpass am Bass probiert, der irgendwo bei 600-800 Hz zumachte. Danach klang es aber irgendwie nicht mehr so rockig, das "awww" hat ein bisschen gefehlt.
ToDo: Der Höhenabfall ist noch nicht so "originalgetreu", d.h. die Sizzlehöhen klingen noch etwas unnatürlich. Hie rmuss ich mit anderen Bauteilwerten experimentieren, oder gar einen LC Tiefpass versuchen. Wer drauf steht könnte versuchen einen 6,5"er zu finden, der einen abgeschwächten Gitarren-12"-charakteristischen Hochmittenpeak hat. Somit würde man ein Stück Authentizität zurückgewinnen.
Fazit: der Versuch hat im Großen und Ganze erfolgreich bestätigt, was ich mir erhofft hatte: Ich habe einen wesentlich homogeneren Hörbereich und es fehlen die Ätz-Hochmitten. Zudem ist die Box nun geschätzte 4dB leiser, womit ich den Amp mehr kitzeln kann.
Warum sind wir Gitarristen eigentlich so unaufgeschlossen, dass wir als letztes (wichtigstes???) Glied in unserer Signalkette technologisch völlig überholte Technik einsetzen? Ich weiß es nicht... Bin ja selber einer
Bin gespannt auf Eure Komentare!