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Warum klingen Röhren besser als Transistoren?

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Offline Mad Murdock

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Hi Leute,

wenn man sich mit der Frage beschäftigt, warum die Röhre eigentlich so viel besser ein Transistor ist, findet man überall nur lapidare Erklärungen.
Meistens heißt es, dass Röhren hauptsächlich geradzahlige Harmonische erzeugen, wohingegen Transistoren größtenteils ungeradzahlige Harmonische erzeugen.

Um den Unterschied genauer zu analysieren, habe ich die Übersteuerung einer Röhre mit der eines Transistors per Simulation verglichen.

Im ersten Fall habe ich eine ECC83 im Arbeitspunkt -2V mit einer Aussteuerung von 1V und einer Anodenspannung von 300V betrieben.
Beim Transistor hatte ich den Arbeitspunkt 0,6V, eine Aussteuerung von 0,02V und eine Kollektor-Emitter-Spannung von 10V.
In den angehängten Bildern ist das Spektrum des Anoden- bzw. Kollektorstromes zu sehen.

Die Röhre produziert hier mehr Harmonische als der Transistor, diese hohen Frequenzen haben aber nur einen sehr geringen Pegel und dürften nicht mehr hörbar sein.
Allerdings ist die dritte Harmonische (150Hz) beim Transistor viel stärker ausgeprägt, als bei der Röhre.

Ist das jetzt der Grund für den schlechten Klang?
Die dritte Harmonische entspricht der Oberquint und dürfte doch eigentlich "gut" klingen (vgl. Powerchord)...?!

Ich würde mich sehr freuen wenn mir das jemand erklären könnte :)
« Letzte Änderung: 19.05.2011 17:06 von Mad Murdock »

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Offline Thisamplifierisloud

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Re:Warum klingen Röhren besser als Transistoren?
« Antwort #1 am: 19.05.2011 17:37 »
Irgendwie hab ich das Gefühl, daß was seltsam ist, wenn in einem Audio-Diagramm -300dB an der Skala steht.
Stell Doch mal bitte die Schaltungen dazu.

 :bier:
Der den Argumentenverstärker trägt.

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Manfred

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Re:Warum klingen Röhren besser als Transistoren?
« Antwort #2 am: 19.05.2011 21:24 »
Hallo,

das kann man nicht pauschal so sagen. Es kommt immer darauf an ob im Clean-, Overdrive oder Distortionmode.
Ob Vorstufen mit FETS, OPamps oder normalen Transistoren. Ob 0815- oder augefeilte Schaltungstechnik.
Letzendlich auch noch aus welchem Lautsprecher das ganze herauskommt.  
Ich hatte z.B schon alte Guyatone-Amps aus den 80ern in der mache die einen schöne Cleansound hatten.
Das Geheimnis sind da die JFET-Vorstufen (SK30A) die mit bis zu 45V eine hohe Betriebsspannung hatten.
D.h einen großen "Headroom" für einen Transistoramp, wobei die Eingangsstufe mit Singlecoils und normalen Humbuckern nicht zu übersteuern war.
In dieser Zeit waren einge Amps aus japanischer Produktion wie Mesia, Guyatone, Rozz, Yamaha etc. mit 12-Zoller bestückt die wirklich gut waren,
wer immer die auch hergestellt hatte. Ich hatte mal eine Untersuchung des Unterschieds zwischen Röhren und Transistoren (pnp,npn) aus der legenderen "Funkschau".
Leider ist der Artikel verschollen. Die Sache war da messtechnisch angegangen worden.
So weit ich mich da erinnern kann, war ein gravierender Unterschied bei den Intermodulationsverzerrungen, also die Signalverformung durch die Krümmung der Kennlinien.
Ich glaube mich zu erinnern dass der Anteil der Intermodulationverzerrungen bei den Transsistoren dabei nur 10% von dem der Röhren war.
Wenn ich den Unterschied zwischen gut klingenden Halbleiter und ebensolchen Röhren beschreiben soll sage ich immer:
Der Röhrenamp atmet "mehr" und im Sound ist das i-Tüpfelchen drauf, was immer das für andere heisst. ???
Das ist wie die Frage nach meinem Befinden, ich drücke es aus aber es können nur wenige, wenn überhaupt, nachfühlen. ;D

Gruß
Manfred
 

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Offline Mad Murdock

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Re:Warum klingen Röhren besser als Transistoren?
« Antwort #3 am: 19.05.2011 23:46 »
Intermodulationsprodukte will man eigentlich überhaupt nicht haben, weil die fast ausschließlich auf Frequenzen zwischen normalen Tönen liegen und deswegen sehr falsch klingen.
Von daher müsste der Transistor mehr davon erzeugen, bzw. stärkere. Was wiederum erklären würde warum die Röhre besser klingt.
Ich werde das mal simulieren :)


Irgendwie hab ich das Gefühl, daß was seltsam ist, wenn in einem Audio-Diagramm -300dB an der Skala steht.
Stell Doch mal bitte die Schaltungen dazu.

Das ist der Absolutpegel - umgerechnet in Milliampere ergibt das beispielsweise 2,1mA bei 50Hz und 0,3mA bei 100Hz.
Ist auch garnicht wichtig - wichtig ist die Differenz zwischen den Spitzen.

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Offline jacob

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  • Rote Amps klingen besser!
Re:Warum klingen Röhren besser als Transistoren?
« Antwort #4 am: 20.05.2011 07:19 »
Hi Mad,

mal etwas boshaft ausgedrückt:
es gibt (immer noch) sehr viele Röhrenverstärker, die definitiv schlechter klingen als gute Transistoramps.

Im Umkehrschluss bedeutet das:
es bereitet offensichtlich nicht allzuviel Probleme, einen Röhrenamp zu bauen, der klingt wie ein Transistorverstärker  ;D

Es ist da (fast) wie bei Beton: "Es kommt darauf an, was man daraus macht"

Gruß

Jacob
Der Unterschied zwischen Theorie und Praxis ist grundsätzlich in der Praxis größer als in der Theorie. (Unbekannt)

Ein Mensch, der spürt, wenn auch verschwommen, er müsste sich, genau genommen, im Grunde seines Herzens schämen, zieht vor, es nicht genau zu nehmen. (Eugen Roth)

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Offline Alex78

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Re:Warum klingen Röhren besser als Transistoren?
« Antwort #5 am: 20.05.2011 12:23 »
Hallo Mad Murdock!

Sehr schöne Idee, die Obertöne grafisch darzustellen.
Und danke, dass du die Bilder davon mit uns teilst.

Wahrscheinlich ist der Unterschied in der Obertonstruktur bei Übersteuerung noch größer.
Falls du das mal simulieren wolltest, würde mich das Ergebnis brennend interessieren.

Grüße
Alex

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Offline orange1969

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Mahlzeit allerseits,

1. TIM:
Ich kann mich noch sehr gut erinnern an alte Artikel zu Transistorendstufen.
Durch die Gegenkopplung wird ein Teil der Ausgangsspannung zum Eingang zurückgeführt und (weil invertiert) vom Eingangssignal abgezogen (und somit werden auch Abweichungen an Eingangssignal invertiert abgezogen usw...
Die Halbleiter waren früher anders aufgebaut - Endtransistoren hatten auch andere Eingangskapazitäten. Wenn da plötzlich ein hart angeschlagener Gitarrenakkord oder ein Lautstärkeschub in einer Wagneroper plötzlich am Eingang der Endstufe anlag, dauerte es angeblich länger, bis die Gegenkopplung bei Transistorendstufen gewirkt hat. Und in diesen ersten Millisekunden war das Signal verzerrt - angeblich psychoakustisch von Nachteil.
Später mit den MOSFET-Endstufen oder Endtransistoren in Ringemittertechnik sprach keiner mehr davon.

2. Das Rauschen:
Röhrenverstärker rauschen anders. Ein alter Dynacord oder ein alter echolette rauscht anders als eine Volltranse. Das klingt auch anders.
Waren wohl die alten Kohlewiderstände aus Restbeständen, die verbaut wurden ... ?

3. Der Geruch:
Ein Röhrenverstärker riecht anders. Das unterstützt psychisch den anderen Klang

4. Die Wärme:
s.o.

5. Dieses dezente Glühen im ästehtischen Glaskolben
s.o.

6. Das Eisen:
Ein Ausgangsübertrager beeinflusst den Klang - manche mehr, manche weniger

7. Die Kondensatoren:
In Transen scheinbar das verbaut, was am Markt verfügbar ist (MKTs von ...)
In Röhrenverstärkern sind das ... tja hier ist das Bild uneinheitlich. Vom Keramik über Polyester bis zum PP ist alles vertreten.

8. Die Opamps in den Transen:
Wer baut schon einen voll diskreten Opamp aus selektierten Transistoren 2SK369 oder dergleichen - nein.
Und wer traut sich, die Preamp-Sektion mit selektierten OPA2134 zu bestücken anstatt der lange Zeit üblichen TL071 bzw. 4558
Da wär noch was aufzuholen.

Es gibt kein besser oder schlechter - nur ein anders ausgeprägt im Charakter.
Ich habe eine LesPaul Kopie, die klingt an meinem LeeJackson XLS-1000 fett, an einem Rath 130 subjektiv klarer und aggresiver (wenn auch mit künstlich gestrafftem Mittenloch)
Eine KingV Pro mit Pappelkorpus klingt nur am LeeJackson natürlich - hier scheint der Rath ein hochentwickelter Gleichmacher zu sein.

Also generell:
Die Röhre an sich klingt gar nicht, genauso wenig wie der Transistor.
Die modernen Halbleiter sind der Röhre in fast jeder Hinsicht überlegen (Raumfahrt mal ausgenommen).
Mit zeitgemäßem Equipment kann jeder eine Röhrenschaltung oder Halbleiterschaltung aufbauen, von der Clapton nicht mal träumen konnte.
Nur der wird glücklich und Formel1-Weltmeister, der alles vom Holz über Pickups bis hin zum Speaker überblickt und richtig abstimmt.
Und der psychische Faktor spielt eine starke Rolle.

 :bier: Schöndes Wochenende
« Letzte Änderung: 20.05.2011 15:00 von orange1969 »

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Manfred

  • Gast
Re:Warum klingen Röhren besser als Transistoren?
« Antwort #7 am: 29.05.2011 13:08 »
Hallo,

Zitat
Wahrscheinlich ist der Unterschied in der Obertonstruktur bei Übersteuerung noch größer.
Falls du das mal simulieren wolltest, würde mich das Ergebnis brennend interessieren.

Bei der Triode tritt bei positiver Gitterspannung die Verzerrung durch die sogennante Gitterstrombegrenzung ein.
Wird das Verhalten für positive Gitterspannung überhaupt in dem Triodemodell für die Simulationen berücksichtigt?

Gruß
Manfred


 

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Offline Mad Murdock

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Re:Warum klingen Röhren besser als Transistoren?
« Antwort #8 am: 29.05.2011 14:08 »
Warum Begrenzung? Der Kathodenstrom spaltet sich doch nur auf Gitter und Anode auf?
Modelliert hab ich das allerdings nicht, ich bleib ja im negativen Bereich.

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Offline DocBlues

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Re:Warum klingen Röhren besser als Transistoren?
« Antwort #9 am: 30.05.2011 13:40 »
Hallo,

aus meiner Erfahrung mit Halbleiter- und Röhrenschaltungen ohne Anspruch auf Vollständigkeit:

1. Man braucht gar nicht in den Bereich der deutlichen Verzerrung gehen. Was meist völlig unberücksichtigt wird, ist das Clipping der Transienten. Das hört man nicht als Verzerrung, sondern als mehr oder weniger harten Klang. Die meisten Halbleiter-Amps und -Effektgeräte rasieren die Transienten gnadenlos ab, da man deren Höhe bei der Schaltungsauslegung fast immer unterschätzt. Röhren kappen die Transienten "weicher". Es geht aber auch mit Halbleiterschaltungen "weich". Man muß nur die Transienten ernst nehmen und die Schaltung entsprechend auslegen.

2. Tendenziell werden in Halbleiterschaltungen mehr Elkos, Polyesterkondensatoren und billige Metallfilmwiderstände verwendet - in Röhrenamps (guter Qualität) eher Polyprop-Kondensatoren, Elkos nicht im oder am Signalweg und Carbon-Composite Rs oder gute Metallfilm-Typen. Das macht schon eine Menge in der Grundcharakteristik aus.

3. Clipping in den Overdrive-Sektionen von Halbleiterschaltungen erfolgt meist mehr oder weniger symmetrisch oder im Verhältnis 1:2 und mit Standard-Dioden. Allein der Einsatz anderer Dioden oder noch besser - Umfuntionierung von Fets als Dioden - ändert das Bild teil dramatisch.
Wer mal ausgibig mit unterschiedlichen Röhrenarbeitspunkten experimentiert hat, weiß, wieviel kleine Änderungen an der Asymmetrierung für den Gesamtsound bedeutet..

4. In vielen Halbleiterschaltungen wird der Overdrive in nur einer Stufe erzeugt - mit Verstärkungsfaktoren bis 500. Das zerstört den Sound. Röhrenschaltungen arbeiten typisch mit Faktoren zwischen 40 und 80, haben zwischen den Stufen Spannungsteiler und R-C-Filter und kaskadieren die zerrenden Stufen.

Wie weit man Halbleiterschaltungen auf die "weiche" Seite bringen kann, habe ich gerade kürzlich erlebt. Nachdem ich im gesamten Signalweg meines alten (aber Bauteil-überarbeiteten und schaltungsmodifizierten MusicMan Amp (nur Endröhren, die ich angesichts von 150 W Leistung nie in die Sättigung treibe)) alle Clipping-Punkte von Standard-Kleinsignal-Dioden auf FETs (als Dioden geschaltet) umgestellt hatte, meinten meine Mitmusiker, ich solle mal wieder etwas mehr Biss und Dreck hinzufügen - der Sound sei jetzt einfach zu rund. Die FET-Mods habe ich übrigens auch im zugehörigen Overdrive-Pedal durchgeführt und konnte dabei die Höhendämpfung drastisch reduzieren - es klingt runder, gleichzeitig brillianter und offener. Inzwischen begrenze ich an einem Punkt wier asymmetrisch mit einer LED und zwei Standard-Kleinsignal-Dioden und der gewünsche "Dreck" und der "Biss" sind wieder da.

Parallel dazu habe ich einen Vollröhrenamp mit eigenem Schaltungsdesign in Arbeit. Der klingt schon sehr, sehr gut - auch ein Ergebnis der Arbeitspunktoptimierungen, der Bauteiloptimierungen etc. Trotzdem würde ich nicht sagen, daß er in jeder Hinsicht besser klingt als der MusicMan Halbleiter Amp.

Gruß,
DocBlues





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Manfred

  • Gast
Re:Warum klingen Röhren besser als Transistoren?
« Antwort #10 am: 1.06.2011 18:44 »
@ Mad Murdock

Zitat
Warum Begrenzung? Der Kathodenstrom spaltet sich doch nur auf Gitter und Anode auf?
Modelliert hab ich das allerdings nicht, ich bleib ja im negativen Bereich.

Begrenzung deshalb weil die Wechselgitterspannung im positiven Bereich bergrenzt wird.
Siehe auch auf dem angehängten Bild, das habe ich von "Valvewizzard entliehen.
http://www.freewebs.com/valvewizard1/Common_Gain_Stage.pdf
Die Anodenspannung folgt genau der Gitterspannung natürlich phasengedreht.
Eine Simulation wenn das Signal das Gitter in den positiven Bereich bringt wäre interessant.
Dann könnte man sehen ob dieses Verhalten im Modell berücksichtigt wird.

@DocBlues
Zitat
Umfuntionierung von Fets als Dioden - ändert das Bild teil dramatisch.
Gate->Source oder Gate -> Drain mit Source verbunden als Diode?

Gruß Manfred  

« Letzte Änderung: 1.06.2011 19:01 von Manfred »

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Offline DocBlues

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Re:Warum klingen Röhren besser als Transistoren?
« Antwort #11 am: 2.06.2011 14:58 »
Hallo Mafred,

JFet - Die Strecke Gate zu Drain als Diode - Source nicht verbunden. Diese Schaltung ist z.B. auch im AC-Tone Pedal von Carl Martin zu finden.

Gruß,
DocBlues

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Offline Dirk

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Re:Warum klingen Röhren besser als Transistoren?
« Antwort #12 am: 2.06.2011 16:33 »
Hallo Doc,

hast Du von dem besagten Teil einen Schaltplan ? Würde mich vom Gesamtkonzept interessieren.

Gruß, Dirk
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Offline orange1969

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Re:Warum klingen Röhren besser als Transistoren?
« Antwort #13 am: 2.06.2011 18:29 »
Mich auch.

Vor allem - welche FETs; die alllseits bekannten BF245 oder andere...

Schönen Vatertag noch

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Manfred

  • Gast
Re:Warum klingen Röhren besser als Transistoren?
« Antwort #14 am: 2.06.2011 21:14 »
Hallo,

im Anhang der Schaltplan.

Gruß
Manfred