Moinmoin Tom,
Netzteile für Röhrenamps bestehen ja nicht nur aus den "eigentlichen Netzteilkomponenten", sondern auch aus weiteren Siebgliedern (RC-Kombinationen), in denen die Spannungen von z.B. Schirmgittern und Vorverstärkerröhren zusätzlich entkoppelt werden. Die sind über die gesamte Schaltung verteilt, so dass der ganze Verstärker mit seinem Netzteil eine Art Gesamtkunstwerk bildet.
Da ich persönlich auf die Originalschaltungen stehe, nenn es erprobt, bewährt, vintage oder sonstwie, baue ich entsprechend und beziehe da eben auch die Glättungskondensatoren mit ein.
Aus heutiger Sicht mögen die Werte klein erscheinen, man vergisst dabei aber, dass erstens die Röhrentechnik hochohmiger ist als die heutigen Halbleiterschaltungen. Dadurch wird weniger Strom gezogen und die Glättungskapazitäten können kleiner ausfallen.
Zweitens haben Gegentakt-Endstufen mit Röhren im Ausgangsübertrager (theoretisch) ideale Brummunterdrückung der geradzahligen Oberwellen inkl. der Grundwelle, die noch in der gesiebten Spannung übrig bleibt. Auch das vermindert die Ansprüche an den Glättungskondensator.
Drittens vermindern alle Glättungskondensatoren den "Sag" (guck im Link), weil sie alle dem sonstigen Innenwiderstand des Netzteiles parallel liegen. Auch das ist bei Gitarrenamps ggf. ein Argument.
Viertens ist natürlich auch deine Vermutung richtig.
Tatsächlich kann man bei den meisten modernen Röhrenendstufen zum Einbau in Racks feststellen, dass sie im Vergleich zu Heads und Kofferamps sowohl härtere Netzteile (ohne Einbrüche) als auch sauberere Endstufen (mit wenig Endstufenzerre) haben. Das liegt m.E. daran, dass bei den "Rackgitarristen" der Ton inklusive aller Effekte und Zerrerei schon vor der Endstufe steht *). Trotzdem Röhrenamps zu nehmen hat hier dennoch Sinn, weil erstens der Frequenzgang des AÜ gewünscht wird und zweitens der Dämpfungsfaktor (Verhältnis Lautsprecherimpedanz zu Ausgangsimpedanz der Endstufe) bei Röhrenendstufen deutlich geringer ist und sich somit die Eigenheiten des Lautsprechers stärker auswirken.
In deinem Fall glaube ich, dass die sich ergebenden 100µF der richtige Kompromiss aus Brummfreiheit, Trafobelastung und Kosten sind. Deshalb hat der Designer sie eingebaut und der Kaufmann sie auch genehmigt
An einzelnen Stellen in einem Amp-Gesamtkonzept zu ändern, bringt m.E. wenig. Wenn du prinzipiell zufrieden bist, würde ich es so lassen. Wenn dir dein Sound nicht gefällt und Üben nicht hilft, lieber einen anderen Amp / ein anderes Ampkonzept nehmen.
Martin
*) Bei jedem guten Gitarristen steht der Ton natürlich schon, bevor er auch nur die Pickups sieht, aber ihr wisst schon, was ich meine.