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Ausgangsleistung: Wie ist das definiert?

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Offline Thaddäus

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Ausgangsleistung: Wie ist das definiert?
« am: 10.01.2024 20:49 »
Hallo in die Runde

Nach längerer Bastel-Abstinenz komme ich mal wieder dazu, was mit Röhren zu werkeln...

In den Zusammenhang ist bei mir die Frage aufgepoppt, wie eigentlich die Ausgangsleistung von Röhrenendstufen definiert ist - falls es eine genaue Definition überhaupt gibt?

Soweit mein Halbwissen zum Thema reicht, geht es um die mögliche Dauer-Ausgangsleistung. Bloss sind halt Röhrenendstufen nicht sehr linear, und deshalb frage ich mich:
- ist das die grösstmögliche Dauer-Ausgangsleistung, die man mit reichlich Verzerrung rauspressen kann?
- oder Sinus?
- Wenn Sinus: Gibt's da z.B. einen tolerierten Oberwellenanteil, und wenn ja, wie misst man den?
- Oder schaut man auf die mögliche Peak-Leistung, und teilt das einfach durch 2 (weil beim Sinus der Peak grad die doppelte Momentanleistung hat vom RMS Wert)
- Oder macht das jeder wie er will, und ich seh das einfach ein bisschen zu kompliziert?  ::)

Bin gespannt auf eure Antworten  :)

Gruss Adrian

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haebbe58

  • Gast
Re: Ausgangsleistung: Wie ist das definiert?
« Antwort #1 am: 10.01.2024 21:23 »
Hi,

mal einfach gesagt: im Prinzip misst man das mit einem Sinus Dauerton bei verschiedenen Frequenzen z.B. von 1 kHz jeweils eine Oktave runter, also 500, dann dann wieder eine runter, also 250, dann 125 und 63, das reicht für Gitarre, drunter geht eh nur noch kaum was. und dann eine hoch, also 2 kHz, dann 4 und dann 8, das reicht auch.  Manche messen auch nur bei 1 kHz. Man fährt die Leistung bei jeder Messung so weit hoch, bis genau 10% Verzerrungen erreicht sind (Oberwellenanteil), auch genannt Klirrfaktor (Kann man am Oszi messen oder per Klirrfaktormessgerät). Das ist dann die schöne Nennleistung oder auch Sinusleistung. Das alles gilt bei Gitarren Tube Amps. Bei HiFi sollten möglichst 1% nie überschritten werden.

Da wird man sich z.B. wundern, was z.B. ein JTM 45 bringt. Das sind "nur" gute 20 bis max. 27 Watt. Danach ist Essig. Und trotzdem wirkt der schweinelaut. auch im Bereich unter 10% Klirr.

Richtig genormt ist das allerdings nirgends, außer früher in der alten HiFi Norm DIN blabla, aber damit fängt man bei Gitarrenamps eh nix an. Die 10% haben sich halt als praxistauglich bewährt, bis dahin gilt ein Sound sozusagen als clean

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Online Helmholtz

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Re: Ausgangsleistung: Wie ist das definiert?
« Antwort #2 am: 10.01.2024 21:46 »
Üblicherweise wird die Ausgangsleistung von Verstärkern als Dauerleistung mit Sinusausgangssignal  (continuous sine wave power) an einer ohmschen Last (R) pezifiziert. D.h. kurz vor dem Begrenzungseinsatz (before clipping). Dieser ist auf dem Oszi gut zu erkennen.
Die Leistung ergibt sich dann als (Ueff)²R. Fälschlicherweise oft als Effektivleistung (RMS power) bezeichnet.
Erhöht man das Eingangssignal über den Clipping-Einsatz hinaus, bleibt der Spitzenwert der Ausgangsspannung begrenzt, aber da die Kurve breiter wird, steigt der Effektivwert und damit die Ausgangsleistung.
Im Grenzfall bei rechteckförmigem Ausgangssignal verdoppelt sich nahezu die Leistung.
Da mit Clipping die Ausgangsleistung von der Aussteuerung abhängt, ist ein sinnvoller Vergleich mit anderen Verstärkern kaum möglich.
Bei Fender wird die Ausgangsleistung oft in Verbindung mit einem THD (z.B. 4%) spezifiziert.
Das bedeutet aber nicht Clipping, sondern trägt der unvermeidlichen Verzerrung der Vorstufen Rechnung.
Zur THD-Messung braucht man ein Klirrfaktormessgerät bzw. eine geeignete Software.
Ich verwende so was nicht.
Stattdessen speise ich mein Testsignal (z.B. 400Hz Sinus) direkt in den PI-Eingang ein, um Vorstufeneffekte zu vermeiden.
So kann ich auch sinnvolle Tests mit Rechteck- und Dreiecksignalen durchführen.
« Letzte Änderung: 10.01.2024 21:56 von Helmholtz »

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Offline Thaddäus

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Re: Ausgangsleistung: Wie ist das definiert?
« Antwort #3 am: 11.01.2024 07:10 »
Vielen Dank, euch beiden, für eure wertvollen Beiträge. Habe dazugelernt!  :topjob:
Mal schauen, ob mein simples 2-Kanal Oszilliert auch Oberwellen messen kann...

Liebe Grüsse, Adrian

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Online Helmholtz

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Re: Ausgangsleistung: Wie ist das definiert?
« Antwort #4 am: 11.01.2024 14:15 »
Die Leistung ergibt sich dann als (Ueff)²R.

Korrektur:
Es sollte natürlich heißen "Die Leistung ergibt sich dann als (Ueff)²/R. "

Ich habe schon mit einigen Digital-Oszis (und Analog-Oszis) gearbeitet.
Keines davon konnte Oberschwingungen oder die THD messen.
Mit einem guten USB-Scope und entspechender Analysesoftware ist es aber sicherlich machbar.
Da man den Clipping-Einsatz auf dem Oszi gut erkennen kann und ein paar Prozent THD mehr oder weniger keinen großen Unterschied machen, spare ich mir die THD-Messung.
Ein größerer Messfehler von 5% bis 10% ensteht durch Schwankungen der Netzspannung.

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Offline Thaddäus

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Re: Ausgangsleistung: Wie ist das definiert?
« Antwort #5 am: 12.01.2024 10:16 »
Hallo Helmholtz

Danke für deinen Nachtrag.
Netzspannungsschzwankung ist momentan kein Thema, weil mein Amp ein SMPS hat und damit bockstabile Versorgungsspannung liefert.  ;)

Habe unterdessen nachgeschaut: Mein Slglent SDS 1102CML+ kann THD nicht direkt messen, aber immerhin eine FFT darstellen. Das reicht für mich. Die gemessenen Amplituden füttere ich dann in ein Excel Sheet, welches mir dann die THD ausspuckt.  :topjob:

Gruss Adrian

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Online Helmholtz

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Re: Ausgangsleistung: Wie ist das definiert?
« Antwort #6 am: 12.01.2024 12:52 »
Habe unterdessen nachgeschaut: Mein Slglent SDS 1102CML+ kann THD nicht direkt messen, aber immerhin eine FFT darstellen. Das reicht für mich. Die gemessenen Amplituden füttere ich dann in ein Excel Sheet, welches mir dann die THD ausspuckt.  :topjob:

Bin mal gespannt, wie gut das klappt.

Habe selbst ein Siglent SDS 1202X-E und bin recht begeistert.
Leider überzeugt mich die Auflösung der FFT nicht.

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Offline Showitevent

  • Geronimo Stade
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  • Röhrengraf
Re: Ausgangsleistung: Wie ist das definiert?
« Antwort #7 am: 13.01.2024 15:23 »
Moin,

THD Messung könnt ihr euch getrost sparen :D
Die in Gitarrenamps angewandten Schaltungen sind sagen wir mehr oder weniger nicht ausgelegt, um THD Idealvorstellungen zu erfüllen.
Natürlich kann man das nicht glatt pauschalisieren, da "ideal" hier ein weitreichender Begriff ist.

Anders als die Erstellung von THD und Impedanz ist die Leistungsmessung nicht wirklich definiert. Zwar gilt in vielen Vorgaben auch eine Messung bei 1Khz druchzuführen, das setzt aber voraus, dass das Gerät in der Lage ist, sein definiertes Frequenzspektrum Linear abzubilden. Es nutzt mir ja nichts, wenn ich 100 Watt @1 Khz habe, dann aber massiv einbreche, weil z.B. das Netzteil bei 100 Hz nicht hinterher kommt.

Wirksamere Leistungsmessung ist ein Average (Durchschnitt) aus mehreren Meßpunkten zu erstellen. Hierfür kann man sich selbst einen Standard schaffen, wie erwähnt z.B. über Oktaven.

Ich selbst nutze da 4 Werte,

Da viele Verstärker (gott sei dank) einen Lowcut roll off haben, bedingt durch Koppelkondensatoren, gilt es erstmal die untere Grenzfrequenz zu finden, mit der es noch möglich ist den Verstärker ins Top und Bottom Clipping zu führen. Meist liegt das dann so um 60 bis 120 Hz. Gleiches gilt im Grunde für die obere Grenzfrequenz.
Damit ich mir die Arbeit aber nicht jedes mal machen muss, nutze ich stumpf 125 HZ, 250 HZ, 1Khz, 4Khz (Gitarrenverstärker), direkt in den Treiber der Endstufe.

Das deckt in etwa das ab, wo der Verstärker laut sein muss.

Nach oben hin kanns bauteil bedingt leiser werden, das liegt dann aber meist nicht am Clipping. Je tiefer die Frequenz, desto mehr Leistung wird abverlangt.

Ich fahre die Amps zur Bestimmung auch nicht vors Clipping, sondern in moderates clipping hinein. So, dass noch ein Sinus zu erkennen ist natürlich.

Der Ermittelte Unterschied zwischen Clipping und nicht Clipping ist meist relativ gering. Auf einen 100Watter kommen da vielleicht mal 10 Watt extra zusammen, eher 5.
Da die meisten 100 Watter aber eh bei 80 bis 90 Watt den Ar*ch zu machen, ist das wohl legitimiert.

LG Geronimo

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Online Helmholtz

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Re: Ausgangsleistung: Wie ist das definiert?
« Antwort #8 am: 13.01.2024 21:17 »
Mir genügt zur Beurteilung einer Endstufe die Leistungsmessung ohne THD bei einer (mittleren) Frequenz. "Presence" und "Resonance" auf Null, falls vorhanden.
Wenn sich tatsächlich zwischen z.B. 200Hz und 10Khz unterschiedliche Leistungen ergeben, würde ich eher einen Mess- (geräte-) fehler vermuten.
Lediglich um bzw. unterhalb der unteren Grenzfrequenz des AÜ darf die Leistung absinken.

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Offline Stahlröhre

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Re: Ausgangsleistung: Wie ist das definiert?
« Antwort #9 am: 16.01.2024 03:17 »
Hallo, um den THD Wert zu bestimmen muss der Verstärker aber auch mit einem sehr "sauberen" Signalgenerator gespeist werden, ansonsten sind die gemessenen Verzerrungen schon Produkt der Quelle und nicht des Verstärkers. Auch wäre noch zu klären wie genau der FFT Modus des Oszilloskops überhaupt ist.

Für (wirklich genaue) derartige Messungen braucht in der Regel einen Audioanalyzer wie z.B. HP8903B oder Tektronix AA501+SG505, leider kostet sowas auf dem Gebrauchtmarkt rund 1200€.
Um nur die Ausgangsleistung und harmonischen Verzerrungen eines Verstärkers zu bestimmen wird sich ein derartiger Invest sicher nicht lohnen. Alternativ gibt es auch neuere Fabrikate wie z.B. von QuantAsylum (QA403), oder den Weg mittels Software (z.B. ARTA) in Kombination mit einem Audiointerface.

Zur Ausgangsleistung: wirklich vergleichbare Werte erhält man nur, wenn man ein standarisiertes Messverfahren nimmt, das in einer Norm festgehalten wird. Für HiFi gibt es da die die DIN EN 61305, welche die alte DIN 45500 ablöste. Beide Normen verweisen auf die DIN EN IEC 60268-3 welche dann das genaue Messverfahren definiert. In dieser wird wiederum zwischen verschiedenen Ausgangsleistungen unterschiedenen:

1. Ausgangsleistung (verzerrungsbegrenzt):
Ausgangsleistung, die bei Nennklirrfaktor an Nennlastimpedanz erzeugt wird.

2. Höchste effektive Ausgangsleistung:
Ausgangsleistung, die bei einem Klirrfaktor von 10% an der Nennlastimpedanz erzeugt wird.

3. Höchste Kurzzeit-Ausgangsleistung:
Die höchste Leistung, die der Verstärker 1 s nach Anlegen eines angegebenen kurzen Tonimpulssignals an der Nennlast erzeugt.

4. Höchste Langzeit-Ausgangsleistung:
Die höchste Ausgangsleistung, die der Verstärker 1 min nach Anlegen von Rauschen (nach IEC 60268-1), am Lastwiderstand erzeugen kann.

5. Temperaturbegrenzte Ausgangsleistung:
Die Ausgangsleistung, die der Verstärker bei einer angegebenen Umgebungstemperatur dauernd abgeben kann, ohne das dabei in einem Bauteil die zulässige Höchsttemperatur überschritten wird.

Ich denke mal Punkt 3, 4 und auch 5 sind sicherlich eher uninteressant für den Hobbyelektroniker.

Im Falle von 1. muss der Verstärker länger als 1min die Ausgangsleistung an einer ohm'schen Nennimpedanzlast erbringen können, als Messignal ist dabei ein 1kHz Sinus zu verwenden. Für andere Frequenzen dürfen die Messungen wiederholt werden, jedoch muss diese dann später zusammen mit der Ausgangsleistung angegeben werden. Anschließend ist die Messung mit einer komplexen Last zu wiederholen, die in etwa dem Praxiseinsatz entspricht. Alternativ kann auch direkt ein Lautsprecher genutzt werden.

Für 2. gelten so ziemlich die gleichen Messbedingungen wie bei 1. wobei die Norm jedoch keine Angaben zur Zeit macht.
Standard Messsignal (sofern nicht anders gefordert) ist in der Norm grundsätzlich immer ein 1kHz Sinus.


Wird nicht nach solch einem standarisierten Verfahren gemessen, kann die angebene Ausgangsleistung eigentlich so ziemlich alles sein. In Ermangelung eines Klirrfaktormessgeräts habe ich bisher die Ausgangsleistung immer derartig bestimmt, dass ich den Verstärker (mit einem 1kHz Sinus) soweit ausgefahren habe bis gerade noch kein Clipping auf dem Oszilloskop sichtbar war.
Das ganze wahlweise in eine ohm'sche 8 oder 16Ohm Lastbox und unter Verwendung eines Stelltrafos (immer per Hand auf 230V korrigiert).
Gruß,
Max