Ja, philosophische Fragen provozieren philosophische Antworten
. Aber offen gesagt, ist Deine Frage, sofern es überhaupt eine ist, für mich sehr unklar formuliert. In deinem ausführlichen historischen Überblick redest Du weitgehend über Schaltungskonzepte (z.B. Schmitt-Phaseninverter), am Ende eher über Stile und Sounds und Du beklagst sogar eine mangelnde Soundvielfalt.
Aber die Frage sollte doch nicht sein, warum alle so "langweiliges" Zeugs nachbauen, sondern vielmehr, was das Ziel ist! Und das Ziel ist doch immer noch nichts anderes, als einem bestimmtes Soundideal (das nicht zwingend ein Vorbild haben muss) möglichst nahe zu kommen. Nun kann ich mir mit meiner beschränkten Sichtweise
keinen Sound vorstellen, der nicht mit einer Applikation der bewährten Standardschaltungen zu erreichen wäre. Und für die Sounds, die sich meiner Vorstellungskraft entziehen, gibt es z.T. sehr spacige Effektgeräte.
Die wenigsten hier im Forum sind außerdem Elektroniker bzw. haben das Hintergrundwissen, um neue innovative Konzepte zu entwickeln. Da bleibt eben nur das nachbauen. Und das, wie ich hier doch noch ab und zu sehen kann, manchmal sogar sehr erfolgrech. Von daher finde ich das auch nicht wirklich fair, die Arbeit dieser Forumskollegen als "Standard-Lala" abzutun. Abgesehen von all dem ist das auch nicht ganz einfach in einer Technologie, die auf dem Stand der Vorkriegszeit ist, etwas wirklich neu/spektakuläres zu entwickeln. Und wenn doch, was bringt's? Was Schaltungstechnik angeht, ist es für mich immer wieder viel interessanter, die ganzen subtilen Möglichkeiten der Klangbeeinflussung auszuloten. Das ist ein weites Feld, das von den meisten hier noch nicht einmal am Rand betreten wurde. Hier paar wenige Werte angepasst, an einer strategischen Stelle eine andere Bauteiltechnologie verwendet, eine passende(re) Röhrenauswahl und schon wird aus einem mittelmäßigen oder gar miesen Lärmkasten ein richtig geiler Amp. Mein Vorredner hat das ja auch schon sehr schön dargelegt.
Entwickeln um den reinen Selbstzweck ist für mich eher so eine Art Beschäftigungstherapie
. Was natürlich niemanden davon abhalten soll, es trotzdem zu tun. Schließlich habe ich meinen SLO, neben klanglichen Aspekten, unter anderem deswegen gebaut, weil mich die extrem sorgfältige Aufbau des Amps schon lange fasziniert hat und ich wissen wollte, ob ich das auch so oder sogar besser hinkriege.
Nun, so wie ich das sehe, hatten wir nie mehr Soundmöglichkeiten und flexiblere Amps als heute. Und selbst die "Alten" klangen mit ihrem Einheitsequipment doch sehr unterschiedlich. Sollten wir also vielleicht eher unsere Finger weiter trainieren, um uns zu differenzieren? Wie auch immer, jeder wird versuchen, seine Ziele auf dem für ihn optimalen Weg zu erreichen. Solange alle Sicherheitsaspekte berücksichtigt sind, ist das doch prima und man sollte das nicht als langweilig abtun.
Übrigens: der mit Abstand am besten klingende Amp, den ich bisher gehört habe, ist ACYs JTM45/100-Plexivariante. 100% Standard-Lala
.
Grüße,
Joachim