Hallo Hannes und Uli,
(für die meisten anderen eher ein Nebenthema - wir hören auch gleich damit auf. Ich bin eher überrascht, daß die Resonanz auf meine obigen Bemerkungen überhaupt so gegeben ist. Falls der folgende Text die etwas bodenständigeren Amp-Bastler nervt, bitte ich es zu entschuldigen und einfach weiterzuklicken. Ich habe jetzt gerade nochmal alles durchgelesen, um nicht wieder so viele Schreibfehler drin zu haben. Zwischenzeitlich sind noch 3 weitere Rückmeldungen eingegangen und die Beiträge überschneiden sich vielleicht etwas. Eine Anmerkung zu "Rednerweb" habe ich unten gerade noch eingefügt. Die Anreden Du/Ihr etc. sind dadurch auch etwas durcheinander geraten Ich denke aber, Ihr kommt auch trotz dieser Macken klar, wenn Euch das Thema interessiert. DocBlues)
ich hatte letztens einen sehr interessanten e-mail Austausch mit einem Messtechnik-Experten, der zwar nicht im Audio-Bereich unterwegs ist, aber ansonsten enorm guten Background hat. Da könnte ich nochmal nachfragen, ob ich das ggf. in Auszügen an Dich/Euch weiterleiten darf.
Ein artverwandtes, interessantes Thema, was ähnlich kontrovers und polarisierend diskutiert wird, ist die Frequenzauflösung in der digitalen Audiobearbeitung. Also z.B. gefragt: Warum klingt 24 bit mit 96 KHz wesentlich besser als 16 bit mit 44,1 KHz (CD-Standard) obwohl man auf den ersten Blick und Rückgriff auf das Shannon Theorem doch annehmen sollte, dass auf der CD bis 22,05 KHz korrekt abgebildet werden können und Menschen doch eh nicht mehr hören. Real ist es aber anders und glücklicherweise wird der neue Standrd ja Audio DVD sein mit 24 bit und 96 KHz.
Vom Jazz Gitarristen Pat Metheny gibt dazu eine interessante Bemerkung: "Ab 96 KHz geht klangmäßig die Sonne auf." Ich kann das nur bestätigen. Andere werden es möglicherweise nicht hören.
Ich habe dazu einen interessanten Artikel, der die technisch-physikalischen Hintergründe erläutert.
Falls Dich/Euch sowas auch interessiert, kann ich es zumailen.
Bei der Amp Bastelei sollte man sich aber nicht zu sehr in den tiefgehenden physikalischen Hintergründen verlieren. Ich versuche die Effekte zumeist nur auf Ihre grundsätzliche Plausibilität hin zu überprüfen und ansonsten empirische Regeln aufzustellen. Wenn ich also aus Erfahrung (reproduzierbar) weiß in welche Klangcharakteristik ich mit Mallory, Orange Drops, Solen - oder was auch immer - bewege, habe ich zwar keine exakten Zahlen, die das beschreiben, aber trotzdem eine sehr gute Hilfe, den Sound so zu beeinflussen, wie es gewünscht ist. Das Ganze läuft aber inzwischen schon mit recht viel Systematik und damit zielgerecht.
Allerdings bin ich beim Optimieren auch schon so weit gekommen, daß ich einsehen mußte, daß sich das Feintuning ingendwann nicht mehr lohnt, weil schon der Wechsel eines Kabels von Silicon auf Teflon das Feintuning-Ergebnis deutlich verändert hat. Spätestens dann sollte man beim Optimieren aufhören. Ansonsten wird es ein Faß ohne Boden, es wird frustrierend und die Musik bleibt auf der Strecke - ob mit oder ohne theoretischer Beschreibung.
Wie gesagt: Ich kann Dir/Euch ein paar Infos zukommen lassen. Grundlagen der Werkstofftechnik (Kristalle, Körner etc.) gibt es in diversen Büchern. Früher war ein guter erster Einstieg das Buch von "Dohmke". Ich hab keine Ahnung, ob es das noch gibt.
In der Elektrotechnik müßtest Du/Ihr ziemlich tief einsteigen. Ich bin während der Arbeit an meiner Doktorarbeit (vor fast 20 Jahren) im Zusammenhang mit der 4-dimensionalen Beschreibung der Elektrodynamik auf das Thema "tensorielle Beschreibung" gekommen.
Ehrlich gesagt möchte ich Dir/Euch nicht empfehlen, da im Detail einzusteigen. Das kostet sehr viel Zeit. Vielleicht findest Du/Ihr aber über Google etwas, daß die Dinge etwas kompakter erläutert. Trotzdem muß ich warnen: Die Mathematik dazu ist schon ziemlich kompliziert und unter dem Strich wird der Sound des Amps damit nicht besser. Wenn Ihr also eine eher generelle Bestätigung meiner obigen Aussagen (aus anderer Quelle) gefunden habt, würde ich an Eurer Stelle lieber wieder die Gitarre und den Lötkolben in die Hand nehmen - natürlich nicht gleichzeitig.
Die Info zur digitalen Musikverarbeitung kann ich kurzfristig zusenden, wenn Ihr mir Eure e-mail Adresse mitteilt. Alles andere dauert etwas länger.
Umgekehrt freue ich mich immer, über neue Impulse und Erfahrungsberichte von anderen - gerade auch dann, wenn sie überraschende Effekte beschreiben.
inspesondere @Uli: Ich versuche die Sache mit der Metallphysik und Elektrodynamik so zu sehen: Wenn die grundlegenden Beschreibungen (die ja auf physikalischen Experimenten beruhen) nicht gegen solche Effekte sprechen, halte ich sie erst einmal für möglich. Dann mache ich - wie im Fall der Richtungsabhängigkeit bei Kabeln - eigene, unvoreingenommene Experimente und lasse mich erst einmal überraschen. Wenn ein Effekt wie die ichtungabhängigkeit auftritt, versuche ich es in anderen Kombinationen und zu späteren Zeitpunkte zu bestätigen oder zu widerlegen. Damit bekomme ich eine Aussage, ob es stets merklich ist, oder wann der Effekt zu vernachlässigen ist oder ob er ggf. nur quasi zufällig auftritt.
Bei den Kabeln kam dann z.B. raus, daß die Richtungsabhängigkeit bei Vovox-kabeln stark ausgeprägt ist, bei Sommer Spirit und PlanetWaves Patchkabeln weniger stark durchschlägt. Bei Meterware Silicon (von TT) ist die Richtung noch merklich, bei Teflon-Kabeln (Banzai) fällt er mehr auf. Bei billigen, bunten Patchkabeln und 5 Euro Gitarrenkabeln ist die Grundqualität der Signalübertragung so schlecht (Glanz in den Höhen verschwindet, schwammiger Bass, schlechtes Impulsverhalten, d.h. Lebendigkeit verschwindet), daß auch der Richtungseinfluß zu vernachlässigen ist.
Nebenbei gesagt finde ich Vovox für Bass (Punch, Druck) und akustische Gitarre (Klarheit, Obertöne) und Recording (Transparenz der Übertragung) sehr gut - für Gitarre nehme meist ein Sommer Spirit, weil es einfach etwas mehr so färbt wie man es gewohnt ist. Es verschluckt halt mehr Details als Vovox und ist nicht ganz so direkt in den Impulsen. Das ist wohl so ähnlich, wie mit dem Einfluß der Speaker auf den Gitarrensound (AlNiCo überträgt ja auch nicht sauber, sondern etwas komprimiert - genau das paßt aber zu bestimmten Klangvorstellungen für E-Gitarre). Für den Bass sieht das dann schon wieder anders aus.
Sämtliche Effekte schlagen insbesondere beim Recording durch. Die Kabelunterschiede (z.B. Vovox, Sommer und Kabelrichtung) höre ich aber auch im Übungsraum, solange der Gesamtsound nicht nur undifferenzierter Lärm ist.
Zur Klarstellung: Ich rede hier nicht über das Thema Kabelkapazität, unterschiedliche Kabellängen, Belastung der Tonabnehmer etc.. Ich habe auch in meinen Gitarren Impedanzwandler mit optimierten Bauteilen drin, bin also von derartigen Kabeleinflüssen praktisch unabhängig.
speziell @rednerweb: Ein Grund für die Homogenität der Walzrichtung auch in Litzenkabeln sind die heutigen, hochautomatisierten Industrieprozesse. Fakt ist aber auch, daß die Richtungsabhängigkeit insbesondere bei Massivdraht-Kabeln wie Vovox auffallen. Da kann man das metallurgische Gefüge natürlich noch mehr beeinflussen und die Effekte nutzen als bei Litzen, bei denen man immer noch zusätzlich die Übergänge zwischen den Kabeln hat.
Zur Metallphysik direkt: Tatsächlich sind diese Effekte auf den ersten Blick schlecht verständlich - so wie Du auch mit Deinem werkstofftechnischen Background beschreibst. Allerdings gehst Du in Deiner Überlegung auch ganz schnell zum Thema Leitfähigkeit über und betrachtest diese als skalare, richtungsabhängige Größe. Außerdem ziehst Du die Elektronenbewegungen heran und da kann man sich schon fragen, ob die bei Audiosignalen (Wechselspannung) nicht nur hin- und herschwingen. Wenn Du allerdings die Signalausbreitung und deren Geschwindigkeit, Richtung und energetische Resultierende anschaust, sieht das schon wieder etwas anders aus. Von daher finde ich es nicht so überraschend, daß es durch Asymmetrien in der Korn- und Korngrenzenstruktur zu Richtungseffekten im Leiter kommt.
Eines wird häufig bei Analysen auch übersehen und darauf habe ich mich im Zusammenhang mit Fourier bezogen: Ganz maßgeblich für den Sound sind Einschwingverhalten und Transienten unsere Signale. Das sind aber keine vollständigen, sich wiederholenden Schwingungen. Fourier funktioniert aber nur bei quasi-stationären Frequenzspektren und deshalb eben nur eingeschränkt oder gar nicht bei Transienten. Das sollte man bei allen Analysen und Meßmethoden (die Fourier nutzen) berücksichtigen. Alternative Messmethoden für Transienten haben andererseits auch ihre prinzipiellen Schwächen.
Gerade der Einfluß auf die Transienten, die ja beim Gitarrensignal durch den Anschlag sehr ausgeprägt sind (im Vergleich zu Flöte ooder Violine z.B.) , ist nach meiner Einschätzung das, was die verschiedenen Bauteile maßgeblich ausmacht - also z.B. Mallory im Vergleich zu Orange Drops.
Wenn man also z.B. mit einem quasistationären Frequenzsprektrum den Frequenzgang eines Kondensators messen würde, würde man keine Informationen über das Transientenverhalten bekommen. Man muß sich also bei messmethoden und bei theoretischen Beschreibungen immer klar machen, was die Grenzen der Method/Beschreibung sind und ob ich das, was ich erfassen möchten, so überhaupt erfassen kann. Genau diese Problematik hat man fast ständig, wenn man Forschung in der Physik betreibt.
Ich möchte es aus pragmatischen Gründen gern wieder darauf reduzieren, daß wir zwar kritisch und auch technisch hinterfragen sollten, ob wir uns nicht gelegentlich einen Sound auch nur einbilden. Bei Musik ist sicher viel Psyche im Spiel. Andererseits sind manche Effekte zwar überraschend und werden wohl auch nicht von jedem wahrgenommen, trotzdem sind sie real - auch wenn wir mit Standard-Formeln und Modellvorstellungen der Technik nicht immer eine Erklärung dafür haben. Wenn man viel Zeit und Geld (für komplizierte Messapperaturen in der Forschung) verwendet, kann man wesentlich mehr erfassen und viele Dinge auch erfassen. Was unsere Effekte in Kabeln oder Bauteilen angeht gehe ich auch davon aus, daß man die in entsprechenden Forschungsvorhaben auch schlüssig erfassen könnte. Die Frage ist dann aber, wer sich dafür interessiert und das finanzieren kann.
Aber auch die Physik ist noch lange nicht am Ende - falls sie denn überhaupt jemals ein Ende hat. Auch solche Physiker Gurus wie Einstein oder Heisenberg waren irgendwann der Meinung, man sei doch schon sehr nahe an der ultimativen Erkenntnis - an der Weltformel, wie Heisenberg es nannte. Es kam dann doch immer wieder anders. Je tiefer man in die Naturwissenschaften einsteigt (ich habe das als Ing. während meiner Promotionszeit mehrere Jahre getan, weil meine Aufgabenstellung es erforderte), desto klarer erkennt man, was auch alles noch gar nicht so klar ist und wieviele Modelle durchaus angreifbar sind.
Gerade bei Leuten wie Einstein und Heisenberg sollten wir aber eins nicht vergessen:
Einstein spielte sehr gut Geige - fast auf professionellem Level.
Heisenberg spielte ziemlich gut Klavier.
Selbst die beiden haben dabei sicher nicht immer nur an die Physik gedacht.
Falls wir das Thema noch gemeinsam vertiefen wollten , sollten wir es tatsächlich außerhalb des Forums tun. Ich denke, es sprengt dann doch etwas den Rahmen, den sich Dirk von TubeTown gedacht hat und den die meisten Teilnehmer hier erwarten.
Also: meine nächsten Beiträge hier im Forum (wie in den entsprechenden Threads angekündigt und erwartet) beziehen sich auf Test "TT-Metallfilmwiderstand gegen Carbon Composition" und auf meinen neuen Jensen Neo Speaker nach dem Break In.
Gruss,
DocBlues