Hallo Basstler,
Deine Messungen bestätigen genau meine Erfahrungen und man sollte auf diese Werte häufiger mal hinweisen, Leider liest man ja immer wieder Meinungen wie, daß ein Gitarrenpickup höchstens 0,3 - 0,5 V Spitze bringt. Das sind mit Sicherheit nicht die Spitzenwerte und auf genau die - d.h. die Transienten kommt es für den Sound an. Für die Lautstärke ist ein mittlerer Wert maßgeblich aber die Transienten und deren Kompression (oder auch Clipping) entscheiden maßgeblich darüber, ob es harsh oder smooth klingt , ob tot oder lebendig.
Wozu würde man sich sonst auch mit Kompressoren und Transientendesigner (z.B. von SPL) so viel Mühe machen. Kompressoren werden ja z.B. gerade beim Bass so eingesetzt, daß sie die ersten ein bis zwei Spitzen durchlassen und das Signal dann herunterdrücken und anschließen auf diesem Level halten. Genau dadurch bekommt man den Attack und Punch im Sound - mit dem Höreindruck relativ konstanter Lautstärke. Wenn man die Transienten dann beim Abmischen mit Limiter und ggf. Loudness Maximizer zusammendrückt, wird es lauter aber Attack und Punch gehen flöten. Das ist dann der dicke aber tote Bass-Sound, den man bei vielen - lautstärkemaximierten - modernen Produktionen hört.
Ich gehe davon aus (u.a. Experimente mit Limiter und Kompressor-Schaltungen) , daß ich mit 010 Saiten bei kräftigen Akkorden (etwa wie Pete Townsend) im ersten Peak bis an die 3 Volt habe, den Gegenschwinger geht dann noch auf etwa -1,5 bis - 2 Volt und dann geht es weiter rapide bergab (Spitze zu Spitze der ersten Transienten sind wir also bei harten Akkorden bei bis zu 5 V). Das Klippen der Transienten hört man nicht als Verzerrung, sondern als Veränderung der Klangfarbe. Je nach Lage des Arbeitspunktes der ersten Röhre wird also bereits die erste Transiente mehr oder weniger deutlich gekappt. Bei asymmetrischer Einstellung des Arbeitpunktes (z.B. 300 V Versorgungsspannung, 100 K Anodenwiderstand und 0,82 K an der Kathode - wie alte Marshalls - oder umgekehrt 2,7 K wie JCM 800) bekommt schon die erste Transiente ein deutliches Clipping. Wenn Du die Phase des Signals vor dem Verstärkereingang drehst, merkst Du den Unterschied, weil die erste Transiente einmal auf der Seite mit weniger Headroom und einmal auf der Saite mit mehr Headroom liegt. Je nach Phasenlage geht gehen also die ersten beiden Spitzen entweder beide fast unverändert durch oder die erste Spitze wird auf Niveau der zweiten Spitze (oder sogar darunter) reduziert.
Diese Zusammenhänge kommen teilweise auch durch Vorschaltgeräte zum Tragen: Bsp.: Ein klassischer Treble-Booster dreht die Phase um 180 Grad, ein typischer Verzerrer mit zwei OP-Amp-Stufen bleibt entweder in Phase (falls beide Stufen invertieren oder nicht) oder dreht um 180 Grad (wenn ein Stufe invertiert und die andere nicht).
Ich habe mal für den Bass mit einem asymmetrischen Kompressor / Soft-Limiter experimentiert. Auch da war der Effekt sehr deutlich.
Also: Danke für die Daten, die gerade auch für Effektgerätebastler von Bedeutung sind und mit ein paar verbreiteten Fehleinschätzungen aufräumen. Das Thema Transienten und Klangfärbung bot sich da konsequenterweise an.
DocBlues