Schon mehr als ein Jahr nichts los hier....
Ich liebe meinen JCM 800 2203 mit weit aufgerissenem Gain, aber man wird älter und lernt mit immer weniger Gain zu spielen und dort, also genau an der Grenze von Clean zu Crunch nur gesteuert durch PU Wahl und Anschlag, hat ein 2203 noch Verbesserungspotential für meinen Geschmack. Richtig Clean, ohne "Mehl" im Sound, wird es erst wenn weit unter der Zerrgrenze liegt weil kurz vor Clipping wird der Sound sehr "peaky" (Attack-Überbetonung) und produziert schon einen Haufen "schiefe" IMD-Produkte bei komplexeren Akkorden. Und der Sprung an Kratzigkeit/Fizz wenn die Zerre letztlich voll einsetzt führt dazu, dass man die Klangsteller sehr defensiv einstellen muss damit Zerre erträglich ist, dann ist aber Clean sehr höhenarm (oder andersrum, wird Crunch dann viel zu scharf). Und ein bischen runder/glatter darf die Zerre im Charakter auch gern sein.
Die Standard-Mods um die kreischende Plärre bei wenig Gain und auch wenig Master erträglich zu machen (mindestens: 1nF über'm Gain.Pot raus, 100k Grid-Stopper zum PI rein) bringen zwar schon einiges aber es bleibt das Problem des Charakters der Zerr-Enwicklung der mir nicht passt.
Womit sich als "Lastenheft" ergibt :
a - möglichst wenig Verzerrung bis an die Clippinggrenze, vor allem wenig K2 (weil das ist expansiver Klirr und erzeugt sowohl das Peaking und das "mehlige").
b - halbwegs symmetrisch einsetzende Clipping
c - keine neuen "Harten Kanten" bei zunehmender Austeuerung (Stichwort kein Slewing, siehe unten).
d - gerne deutlich verschobenes Tastverhältnis der Rechtecks bei voller Übersteuerung, d.h. deutlich Anteil geradzahliger Klirrkomponenten.
e - "Bremsen" der lauten hochfrequenten Anteile bei stärkerer Verzerrung, vor allem des "klirrenden Saiten-Gescheppers" vom Hals-Singlecoil bei harten Anschlag was Clean OK klingt aber verzerrt einfach zu kaputt und zu ohrenfeindlich wird.
Nachdenken, simulieren, probieren und messen/hören mit Sinusgenerator ergab, dass für alle Punkte die letzte Stufe des Preamps die dominante Baustelle ist, also V2 mit der Gainstufe (GS) mit den Werkswerten Rk=820 und Ra=100k, und dann dem Kathodenfolger (CF) mit Rk=100k plus Last des Tonestacks.
Mit Rk=1k8 (wovon aber 1k mit 68nF gebypassed ist) und Ra=150k an GS, und Rk=50k am CF konnte ich die Punkte a...c ziemlich gut erfüllen. Die Gainstage läuft jetzt auf etwas kälterem Bias (kann also weiter positiv angesteuert werden bis zum Gitterstrom), braucht daher etwas größeren Ra damit der Arbeitspunkt wieder passt welche zudem noch nach unten abwandert durch deutlich kleineren Rk des CF. Letzterer bewirkt dass der CF nicht mehr "absäuft" bei schneller negativer Austeuerung und damit keine Slewing-Distortion mehr erzeugt weil eben genug Ruhestrom da ist um die 22nF über 33k+Mid-Regler im Tonestack noch umzuladen. Dadurch läuft der CF schon deutlich im sanften Gitterstromeinsatz und das alles kompensiert irgendwie ziemlich gut den geradzahlingen Klirr und symmetriert den oberen und unteren Softclipping-Punkt. Wie schon im Original ist das Ganze alles ziemlich abhängig von den genauen Röhrendaten, ich habe eine CV4004 drin die ich ob ihres Charakters eh gern mag (und der sich gemessen in einem sanfteren Anlaufen des Gitterstroms äussert).
Punkt d hat sich mehr oder weniger zufällig ergeben, in dem jetzt die Asymmetrie welche das einsetzende Clipping der Cold-Stage (10k Rk und 100k Ra) davor erzeugt besser durch die letzte Stufe durchkommt. Gehört, am Generator, nimmt mit einsetzdendem Clipping K2 erst zu, wird dann zwischendurch null und steigt dann wieder an bei "vollem Brett" und macht den Zerr-Sound etwas heller und "sauberer".
Den Unterschied vorher/nachher habe ich mal in einer Screenshot-Reihe (Bild 1) versucht festzuhalten, am Ausgangs des CF, 200Hz mit steigendem Pegel von links nach rechts, oben Original, unten nach der Modifikation. Ab dem dritten Bild wurde die Y-Auflösung um den Faktor 2 reduziert (von 10V/div auf 20V/div) damit die Kurve ins Bild passt.
Man kann erkennen:
- Nach dem Mod ist weniger K2 im Spiel im Bereich unterhalb des Clippings.
- Clipping setzt ingesamt symmetrischer ein, behält aber den Charakter.
- Bei leichter Übersteuerung schiebt es das Tastverhältnis erst nach rechts, später nach links, macht damit dynamisch wandernde geradzahlige Verzerrung und insgesamt mehr solche als jene im Orignal (wo das Tastverhältnis bei 1:1 stehen bleibt).
- Durch die RC-Glieder nach der Cold-Stage ensteht eine Nase wenn die Cold-Stage anfängt zu clippen. Im Original verdeckt das einsetzende Slew-Limiting diese Nase vollständig. Klanglich ist die Nase an sich wenig relevant, aber das fehlende Slewing gibt einen satteren, weniger "nasal-kaputten" Zerrton.
In Bild 2 sieht man das Slewing noch deutlicher, diesmal bei 2kHz wo im Orignal der fallenden Flanke schon gar nicht mehr gefolgt werden kann, währen nach dem Mod das Slewing sehr moderat ausfällt.
Für Punkt e hatte ich jahrelang keine Lösung die irgendwie passabel funktioniert hätte. Vor einer Weile sahe ich hier im Forum in einem Friedmann-Thread dann die Variante, einen kleinen Last-C parallel zum Rk des CF zu schalten und habe das nun endlich mal ausprobiert und wow, genau das ist es! Endlich kann man den Tonestack benutzen für relativ perliges Clean aber Crunch wird nicht zu brutal scharf wenn man reinlangt.
Technisch passiert das was ich eigentlich sonst immer verhindern wollte (und deshalb nie selber darauf gekommen wäre), nämlich Slewing-Distortion, aber halt genau an der passenden Stelle, nämlich nur für Signale die gleichzeitig sehr hochfrequent und sehr laut sind. Auf der fallenden Flanke geht dem CF der Strom aus bzw hilft die fallende Steilheit kurz vor dem Cut-Off, und auf der steigenden Flanke bremst der voll einsetzende Gitterstrom das Umladen, siehe dazu Bild 3 (10kHz Clean und im Clipping, oben Original, unten nach dem Mod mit dem 1.5nF, man sieht die deutlich flacheren Flanken nach dem Mod). Der momentane Wert dieses "Soft-Caps" ist jetzt 1.5nF, muss sich aber noch im Bandkontext bewähren.
Zum Schluss noch ein paar weitere Änderungen abseits der Zerrcharakters :
- 470pF//470k vor dem Gain-Poti nun 1nF//470k.
- 1nF über dem Gain-Poti nun 250pF.
- 10k Rk der Cold-Stage nun 10k//(10+100nF), d.h. DC-Arbeitspunkt bleibt aber mehr Gain für AC.
- 3.3nF vom Schleifer des "Middle"-Tone.Pots nach Masse (keine unnötigen Höhen wenn man Middle aufdreht und Treble zu ist).
- 100k Grid-Stopper am PI-Eingang
- NFB : 22nF in Serie vom 4-Ohm Tab (Subsonic Bass-Boost), 22nF über 4k7-Tail (Glitzerhöhen-Boost auch wenn Presence zu ist). Presence-Pot ein 10k RevLog zwecks Regelweg
- Master ein kaskadiertes 1Meg Log (Stereo) für sinnvollen Regelweg bei leisen Lautstärken.
- Sowie der übliche Sicherheitsmod der Freilauf-Dioden an den Primärseiten des AÜ.