Hallo
Ich habe die letzte Zeit nur einen Bruchteil meines Zeugs bei ---- rausgehauen und einiges an Freunde vertickert. Dabei ist jede Menge Kohle rausgekommen die muss jetzt weg. Da ich bei weitem nicht so aktiv wie früher sein kann, aber ich mir ein gemütliches Projekt überlegt.
Ich baue einen Gitarrenverstärker in der Technik der 30ger Jahre. Unten hängt der Schaltplan an. Er arbeitet in Gegentakt Klasse B Betrieb nur mit Trioden aus den 30ger Jahren und soll einen schönen bluesigen Ton mit viel Sustaaaaaaaaiiiiiiiiiiin machen, indem er die geile Zerre des Klampfomaten mit einem interessanten Kompressionseffekt und noch interessanterem dynamischen Dämpfungsfaktor verbindet.
Die Rolle von V1 und V2 können sowohl 6SN7 als auch 6SL7 spielen. Die Arbeitspunkte sind so eingestellt, dass beide Röhren ohne jegliche Änderung verwendet werden können. Mit der 6SL7 hat man ein um denFaktor 4 erhöhtes Gain. Man wird mit der 6SN7 darum einen sehr cleanen Jazzverstärker haben, der mit der 6SL7 zum Rotzklotz gemacht werden kann. Das macht die Sache vielseitig.
V2 realisiert die aus dem Klampfomat bekannte und wohl funktionierende Klangregelung.
Das Interessante kommt jetzt aber erst. V3 und V4 arbeiten in der vom Klampfomaten bekannten lustigen Gegentaktschaltung mit der geilen Zerre. Aber, sie arbeiten an einem Zwischenübertrager 1:1. Dieser ZÜ dient als Phasenumkehr. Die Phasenumkehr sieht also die Endröhren als Last die keinen Rg haben und brauchen. das hat Grund und bringt einen bestimmten Effekt, der erst klar wird, wenn wir uns die Endstufe ansehen.
Dort wird die 6N7 arbeiten. Das Datenblatt für die Röhre hängt unten an. Darin sieht man auf Seite 93 die Schaltung inklusive Zwischenübertrager, ich habe sie mir also nicht ausgedacht, sondern sie ist vom Hersteller ausgeknobelt worden. Die 6N7 wird in Klasse B2 arbeiten. Es ist aber eher AB2, jedenfalls fließt noch Ruhestrom. Aber das sind Spitzfindigkeiten, interessanter ist nämlich die 2 und nicht ob AB oder B. Sie bedeutet, dass die Röhre mit Gitterstrom arbeitet.
Bei üblichen Schaltungen ist das Gitter mal mehr mal weniger aber doch immer negativ. In dieser Schaltung ist das Bias auf Ug=0V eingestellt, denn es gibt keinen Kathodenwiderstand und auch keine Ug-Erzeugung. Wird das Gitter ausgesteuert, dann wird es positiv. Das bedeutet nun aber, dass es die Elektronen der Kathode nicht mehr abstößt, sondern sogar anzieht auch wenn die meisten Elektronen dennoch durch die Maschen des Gitters zur Anode sausen. Wenn das Gitter aber die Elektronen anzieht, dann wird auch ein Strom über selbiges fließen. Dieser Strom muss auch von der Treiberstufe V3, V4 aufgebracht werden können. D.h. die Treiberstufe muss anders als sonst bei Röhren nicht nur Signalspannung sondern auch Signalstrom liefern können. Spannung und Strom zusammen ergeben erstens einen Widerstand, wenn man sie dividiert und wenn man sie multipliziert eine Leistung.
So bildet die 6N7 in dieser Schaltung einen Widerstand und braucht Leistung zur Aussteurung. Genau das meint die 2, sie ist das Symbol für Betriebsarten mit Steuerleistung. Der Widerstand des Gitterkreises der Endstufe erscheint über den Zwischenübertrager T1 alas Arbeitswiderstand von V3 und V4. Der Arbeitswiderstand dieser Röhren ist also der Gitterkreis der Endstufe. Demnach müssen V3 und V4 auch die nötige Steuerleistung (ca 0,5Watt) liefern können. Was die 6SN7 schafft ohne gequält zu werden.
Ja und, was soll das ganze? Nun erstens erreicht man mit AB2 oder B2 Betrieben enorme Wirkungsgrade. Die beiden Endröhren V5 und V6 ziehen 11Watt mittlere Verlustleistung pumpen aber 10Watt raus. Aber das ist eigentlich nicht der Vorteil der mich interessiert. Es ist so, dass die Steuerleistung die die Endrohre brauchen nicht konstant ist sondern mit der Aussteurung zunimmt. Das liegt daran, dass der Steuerstrom mit zunehmend positivem Gitter als mit zunehmender Signalspannung zunimmt. Das führt dazu, dass die Last für die Treiberstufen V3 und V4 nicht konstant ist. Sie wird mit zunehmender Aussteuerung kleiner. Demnach wird aber auch der RaaL den diese Röhren an T1 sehen kleiner. Damit nimmt aber ihre Verstärkung mit zunehmender Aussteurung ab. D.h. große Aussteuerungen oder Pegel werden weniger verstärkt als kleine, also haben wir eine Kompression.
Aber noch wichtiger ist mir ein anderer Vorteil. Im Gitterstrombereich sehen die Kennlinien hoch interessant aus. Der Innenwiderstand der Röhre nimmt mit zunehmend positiver Ug ab. Demnach aber auch der Dämpfungsfaktor. D.h. für große Pegel nimmt der Dämpfungsfaktor des Ganzen immer weiter ab. Damit wird die Bedämpfung des Lautsprechers von der Aussteuerung, also von dem was ich an der Gitarre tue, abhängig.
Das Netzteil des ganzen ist wieder total langweilig. Es kommt die 6X5GT als Gleichrichter zum Einsatz, weil ich etliche davon habe. Sie ist etwas schwach, deswegen brauche ich deren zwei. Mann hätte auch die EZ81 nehmen können. Aber ich wollte Oktalröhren haben. Die üblichen verdächtigen GZ34 und 5U4G sind viel zu groß, das ganze Zieht 85mA Spitzenstrom und 45mA in Ruhe. Die 5Y3 wollte ich nicht nehmen, weil echte 5Y3 kaum noch zu bekommen sind und ich das ganze nicht auf eine Pseudo 5Y3 abstimmen wollte von der ich garnicht weiß, wie sie sich verhält.
Der Status des Projektes ist recht weit gediehen. Ich habe mir aus der Ukraine die russische Zwillingschwester der 6N7 besorgt. Russische 6N8S und 6N9S, die der 6SN7 und 6SL7 entsprechen habe ich massig auf Lager ebenso wie die 6C5, die der 6X5 entspricht.
Da es die passenden Trafos nicht von der Stange gab. Habe ich sie bei Tubeland wickeln lassen. Der komplette Trafosatz (ohne Drossel) wird dort für knapp unter 100€ gefertigt. Das ist ein guter Kurs, die Qualität soll dort auch sehr gut sein, wurde mir zugetragen. Bis Mitte Oktober sollte ich die Trafos hier haben.
Für die Verdrahtung habe ich mir schon was besonderes überlegt und mir eine schöne Tafel Hartpapier bei Modulor besorgt. Die bohre ich noch zurecht und mache ein Verdrahtungsbrett komplett mit einzeln aufgeschraubten geschraubten Lötfähnchen. Ich habe das im Radiomuseum in Jönköping mal bewundern dürfen, und will das jetzt auch machen.
Eine Bauteilliste kann ich noch nicht liefern. bei einigen Details bin ich nämlich noch unentschieden und bitte um Mithilfe. Welche Cs und Rs sollte ich verwenden? Stilecht wären Kohlepresslinge. Ich höre aber keinen Unterschied zu Metallschicht. Zudem müsste ich dann auch Buchsen und Stecker usw. im Stil der 30ger verwenden. Dass will ich aber allein aus Sicherheitsgründen nicht tun. Bei den Cs bin ich ebenfalls unentschlossen, höre aber auch hier keine Herstellerunterschiede.
Wie dem auch sei. Dirk darf sich auf eine größere Bestellung in den nächsten Tagen freuen.
Ach ja, "Klobide" heißt das Ding, weil es ein Klobiger Bolide mit viel Eisen für 10Watt wird.
Viele Grüße
Martin
PS:
Was der fängt schon wieder ein neues Projekt an? Joa, macht er. Er hat nämlich den Fehler gemacht aus Eitelkeit, weil ihm soviel geschmeichelt wurde, andere Projekte anzufangen, die nie wirklich Spass gemacht haben. Z.B. den FETSACK. Wer will, dass es da weiter geht, darf sich den Hut gerne aufsetzen. Alle anderen angefangenen Sachen sind abgeschlossen und nur aus Zeitmangel nicht weiter dokumentiert.